Orga-Chefin, Putzfrau und Seelsorgerin

Es gibt Jobs, die die Neugierde wecken. Jobs, die mit Vorurteilen belegt sind. Und Jobs, die am Aussterben sind. Der Beruf der Pfarrhaushälterin gehört zu allen drei Kategorien. Es ist ein Arbeitsmarkt in der Nische, leben in ganz Deutschland nach aktuellen Schätzungen doch nicht einmal mehr 800 Vollzeit-Pfarrhaushälterinnen mit einem Pfarrer unter einem Dach. In den 1970er Jahren waren es noch rund 8000, wie Petra Leigers vom Bundesverband der Pfarrhaushälterinnen Deutschland berichtet. Und die Tendenz zeigt weiter steil nach unten.
Orga-Chefin, Putzfrau und Seelsorgerin
Bild: Armin Weigel/dpa

Inzwischen gibt es deutlich häufiger das Modell, dass - zumeist mit ihren Familien zusammenlebende - Frauen in Teilzeit oder im Rahmen eines 450-Euro-Jobs das Regiment im Pfarrhaus übernehmen. Zudem hat ein immer größer werdender Anteil von Pfarrern überhaupt keine Haushälterin im klassischen Sinn mehr - mancher aus Überzeugung, mancher, weil sich keine Kandidatin findet.

«Es ist ein unattraktiver Beruf», findet Mary Anne Eder, Vize-Vorsitzende des Bundesverbands aus Regensburg. «Der Priesterberuf als solches ist ja schon unattraktiv, und wenn sich eine Frau findet, die sich bereit erklärt, einen Priesterhaushalt zu führen, gerät sie grundsätzlich in den Generalverdacht, das Flitscherl vom Pfarrer zu sein.»

Neben diesem nicht auszurottenden Vorurteil stehen die Angestellten gerade auf dem Land unter besonderer Beobachtung. «Wo war sie einkaufen, wie schaut der Garten aus, ist das Auto dreckig, was hat sie für Wäsche gewaschen - das interessiert alles», schildert Eder ihre Erfahrungen. Und auch die Arbeitszeiten seien nicht jederfraus Ding: «Wir wohnen am Arbeitsplatz, das heißt, wir sind rund um die Uhr verfügbar» - und zwar für Pfarrer wie Gemeinde gleichermaßen.

Zugleich unterstreichen viele Pfarrhaushälterinnen die schönen Seiten ihres Jobs: «Man ist sein eigener Herr, ist sehr flexibel, kann seine Talente einbringen und den Glauben ausleben», betont etwa Rita Köppl, Pfarrhausfrau im oberpfälzischen Teunz. «Man ist für's Pfarrhaus zuständig, und in der Regel für den Garten, und wenn niemand da ist für's Telefon und die Haustüre, und oft kommt einfach irgendjemand, der ein Bedürfnis oder eine Sorge hat und darüber reden möchte.» Familienstreitigkeiten, Depressionen oder Alkoholmissbrauch seien häufige Themen.

Viele Pfarrhaushälterinnen übernehmen darüber hinaus Aufgaben in der Gemeinde, etwa im Senioren- oder Gemeinderat oder bei der Ministrantenausbildung. Sie machen Mesnerdienste, kümmern sich um Blumenschmuck und die Kirchenwäsche, spielen Orgel, leiten den Kirchenchor oder Wortgottesdienste. Oder sie pflegen die Angehörigen des Pfarrers, die mit im Pfarrhaus wohnen. Viele versorgen darüber hinaus auch noch einen Kaplan, Diakon oder Alt-Pfarrer mit.

Es gibt Pfarrhaushälterinnen, die verbringen Jahrzehnte mit «ihrem» Pfarrer, fahren gemeinsam mit ihm in den Urlaub und pflegen ihn im Ruhestand - selbst wenn sie selbst schon im Rentenalter sind. «Umgekehrt kenne ich tatsächlich nur einen Fall», schildert Eder.

Generell ist die Absicherung der Pfarrhaushälterinnen dürftig: Stirbt der Pfarrer, bekommen sie maximal ein Übergangsgeld von drei Monatsgehältern. Außerdem müssen sie aus dem Pfarrhaus ausziehen, wo ihnen im Idealfall ein Wohnschlafzimmer und ein eigenes Bad zur Verfügung stehen.

Rücklagen haben die meisten dabei kaum, denn ein Gutteil der Arbeit findet gegen Gottes Lohn statt, wie Betroffene offen berichten. Auch Leigers, die im baden-württembergischen Westerheim wohnt, bestätigt: «Alles, was über einen gewissen Stundensatz hinausgeht, ist Ehrenamt, und das wird natürlich erwartet.» Die bezahlte Arbeit ermöglicht ebenfalls keine großen Sprünge, zumal noch zwischen 450 und 500 Euro für Kost und Logis abgehen. Sie ist deutschlandweit nicht einheitlich geregelt, Untergrenze ist lediglich der Mindestlohn.

In Bayern sei die Situation vergleichsweise komfortabel, berichtet die Vorsitzende der Pfarrhausfrauen in Bayern, Luise Mai. «Wir haben als einzige vom Landesverband für alle Diözesen einen Tarifvertrag mit dem Klerusverband, der wurde 1972 hart erkämpft.» Mantel- und Entgelttarifvertrag liegen dem jeweils privat mit dem Pfarrer als Auftraggeber abgeschlossenen Arbeitsvertrag zugrunde. Und nach diesem verdient eine Pfarrhaushälterin ohne hauswirtschaftliche Erfahrung im ersten Jahr derzeit 2007 Euro brutto, nach 15 Jahren sind es dann 2511 Euro. Ansonsten gibt es nur noch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart einheitliche Regelungen; dort sind die Damen zur Hälfte beim Pfarrer und zur Hälfte bei der Diözese angestellt.

Mit dem weit verbreiteten Vorurteil, dass das Angestelltenverhältnis nur der Deckmantel über einer Liebschaft ist, möchten die Pfarrhaushälterinnen übrigens gerne aufräumen. «Die Erfahrung zeigt, dass es meist eine Dame aus der Gemeinde ist, die getröstet werden muss, wenn es zu einer Liaison kommt», betont Eder. Auch Leigers hat die ständigen Vorurteile satt: «Das ist Mobbing, nichts anderes!» Dass Klischees selten stimmen, zeigt übrigens auch der Fakt, dass es im konservativen Bayern inzwischen in jeder Diözese mindestens einen Quotenmann in den Reihen der Pfarrhaushälterinnen gibt.

(Text: Elke Richter, dpa)

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