Zehntausende Arbeitslose bekommen keine Leistungen

Rund 172 000 Arbeitslose mussten im vergangenen Jahr ohne Geldleistungen auskommen. Das war mehr als jeder fünfte Betroffene im Bereich der Arbeitslosenversicherung, wie aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht, auf die die Linke im Bundestag aufmerksam macht. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Für viele Menschen greift der Schutz der Arbeitslosenversicherung nicht.»
Zehntausende Arbeitslose bekommen keine Leistungen
Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Wie eine Sprecherin der BA erläuterte, handelt es sich unter anderem um Menschen, die noch keine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben haben. Es zählen auch Menschen dazu, bei denen die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld abgelaufen ist und die deshalb in das Hartz-IV-System fallen würden, die aber dafür nicht bedürftig genug sind. Dies kann etwa aufgrund des Partnereinkommens im Haushalt der Fall sein.

Die Zahl der Arbeitslosen ohne Leistung ist in den vergangenen Jahren gesunken. 2017 lag sie bei rund 192 000, im Jahr davor bei 201 000. Im vergangenen Jahr waren 95 975 dieser sogenannten Nichtleistungsempfänger Männer, 76 031 Frauen.

Zimmermann forderte, die Zahl der Betroffenen müsse auch durch politische Schritte weiter gesenkt werden. «Der Zugang zur Arbeitslosenversicherung muss erleichtert und die Schutzfunktion verbessert werden.»

Bereits zum Jahreswechsel wurde der Zugang zum Arbeitslosengeld I erleichtert. Seither müssen Arbeitslose binnen 30 Monaten mindestens 12 Monate Beiträge gezahlt haben. Zimmermann forderte, diese Rahmenfrist, in der die Anwartschaft erworben wird, müsse auf 36 Monate ausgedehnt werden. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld sollte bereits nach 4 Monaten Beitragszeit entstehen.
(Text: dpa)

Gesetzlicher Unfallschutz greift auch bei Probearbeit

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gilt auch an Probearbeitstagen. Das geht aus einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel vom 20. August hervor. In dem konkreten Fall aus dem Raum Halle (Saale) hatte ein 39-Jähriger geklagt, der bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen einen Tag probeweise gearbeitet und sich bei einem Sturz schwer am Kopf verletzt hatte. Er habe dabei als sogenannter Wie-Beschäftigter unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, urteilte das BSG. (Aktenzeichen B 2 U 1/18 R)
Gesetzlicher Unfallschutz greift auch bei Probearbeit
Bild: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Der Mann hatte ohne Bezahlung geholfen, Mülltonnen zu entsorgen, und war dabei von einem Lastwagen gestürzt. «Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, an dem er heute noch leidet», sagte sein Rechtsanwalt. Der Mann müsse von Hartz-IV leben, seine Arbeitsunfähigkeit werde geprüft. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik hatte die Anerkennung als Arbeitsunfall aber abgelehnt, weil der Mann nicht in den Betrieb eIngegliedert gewesen sei.

Das sahen auch die Kasseler Richter so. Allerdings habe der Arbeitsuchende eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht. Zudem sollte der Probearbeitstag dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen - und habe damit einen objektiv wirtschaftlichen Wert. Daher sei der Kläger ein Wie-Beschäftiger. «Das ist ein bisschen weniger als ein normales Beschäftigungsverhältnis», erklärte der Vorsitzende Richter. Klassische Fälle von Wie-Beschäftigung seien beispielsweise das Mitarbeiten bei der Obsternte und das Ausführen eines Hundes.

Die Gewerkschaft Verdi sieht Probearbeit sehr kritisch. Sie sei weder vom Arbeits- noch Sozialrecht abgedeckt und könnte missbräuchlich genutzt werden, sagte ein Sprecher. «Wenn andererseits die Arbeitgeber einen einzelnen Probetag als Einstellungsvoraussetzung wollen und durchsetzen, dann muss dieser auch vom Unfallversicherungsschutz abgedeckt sein.» Daher begrüße Verdi die rechtliche Klärung dieser strittigen Fragestellung.
(Text: dpa)

Mitbestimmung in Unternehmen mit vielen Leiharbeitern

Der Bundesgerichtshof (BGH) stärkt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen mit vielen Leiharbeitern. Nach den Vorschriften für die Bildung des Aufsichtsrats sind diese als Beschäftigte zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Damit ist aber nicht gemeint, wie lange der einzelne Leiharbeiter in dem Unternehmen bleibt, wie die obersten Zivilrichter in Karlsruhe nun entschieden. Maßgeblich sei vielmehr, wie viele Arbeitsplätze länger als sechs Monate mit Leiharbeitern besetzt sind - auch wenn diese wechseln. Das teilte das Gericht am 20. August mit. (Az. II ZB 21/18)
Mitbestimmung in Unternehmen mit vielen Leiharbeitern
Bild: dpa

Von der Beschäftigtenzahl hängt ab, ob die Arbeitnehmer gleichberechtigt im Aufsichtsrat vertreten sind. Bis zum sogenannten Schwellenwert von 2000 Beschäftigten steht ihnen nur ein Drittel der Sitze zu, in größeren Unternehmen die Hälfte.

Im konkreten Fall wollte der Gesamtbetriebsrat eines Logistikunternehmens durchsetzen, dass der Aufsichtsrat paritätisch besetzt wird. Ungefähr ein Drittel der Belegschaft machten Leiharbeiter aus, je nach Auftragslage. Alle eingerechnet, hatte das Unternehmen - eine GmbH - im fraglichen Zeitraum immer mehr als 2000 Beschäftigte. Zählte man nur die Leiharbeiter mit, die länger als sechs Monate blieben, lag die Beschäftigtenzahl unter 2000.

Nach der BGH-Entscheidung steht den Arbeitnehmern trotzdem jeder zweite Sitz im Aufsichtsrat zu. Entscheidend sei nicht der einzelne Leiharbeiter, sondern «ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern als solcher so dauerhaft erfolgt, dass er für die ständige Größe des Unternehmens ebenso prägend ist wie ein Stammarbeitsplatz». Damit wurde ein Beschluss des Oberlandesgerichts Celle bestätigt.
(Text: dpa)

Tipps gegen die Prüfungsangst

Gestern (20. August 2019) begann für 177 Medizinstudierende an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg der Prüfungsmarathon für den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung – auch Physikum genannt. Hunderte schriftlicher Fragen an zwei Tagen und einen mündlichen Teil gilt es zu meistern. Bei vielen verursacht der Gedanke daran Herzklopfen. Doch es gibt einfache Methoden, mit denen man Prüfungsangst begegnen kann, sagt Prof. Jörg Frommer, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Magdeburger Universitätsmedizin.
Tipps gegen die Prüfungsangst
Bild: Universitätsmedizin Magdeburg / Sarah Koßmann

Er empfiehlt das Lernen in einer Gruppe. „Wenn ich gezwungen bin, anderen etwas zu erklären und wenn mein Wissen hinterfragt wird, wirkt das entkrampfend“, erklärt er. Zudem könne man seinen Prüfer vorab um ein Gespräch über die Rahmenbedingungen bitten. „Es ist hilfreich, die Person zu kennen und sich ernstgenommen zu fühlen.“ Ein weiterer Tipp: sich negative Erfahrungen bewusstmachen und diese gedanklich von der Prüfung trennen. Denn wer etwa als Kind einen sehr strengen Lehrer hatte, kann sich im Angesicht des Prüfers daran erinnert fühlen. Von der vielzitierten Idee, sich den Professor nackt vorzustellen, hält Prof. Frommer hingegen wenig. „Das hilft nicht wirklich, weil es nicht realistisch ist. Im übertragenen Sinne ist schließlich der, der sich nackt macht, der Prüfling und nicht der Prüfer.“

In einem normalen Ausmaß, sagt er, sei Prüfungsangst etwas Positives. Sie fördere Aufmerksamkeit und Motivation. Häufig allerdings trete sie in übersteigerter Form auf: „Schon in der normalen Bevölkerung ohne besondere Belastungen sind mindestens 15 Prozent psychisch belastet. Diese Zahl ist in Prüfungen mindestens doppelt so hoch.“ Den Unterschied zwischen normaler und übersteigerter Angst erklärt Prof. Frommer wie folgt: „Wenn ich am Abend vor einer Prüfung etwas länger wachliege und mir noch einmal alles durch den Kopf geht, was gefragt werden könnte, ist das normal. Wenn ich aber bis drei Uhr wachliege, ich schwitze und zittere, die Gedanken rasen, dann ist das zu viel der Aufregung.“

Der Erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung wird nach dem vierten Semester abgelegt. Im schriftlichen Teil gilt es, an zwei Tagen insgesamt 320 bundesweit einheitliche Fragen in den Fächern Physiologie/Physik, Biochemie/Chemie, Anatomie/Biologie und Medizinische Psychologie/Soziologie zu beantworten. Später folgt der mündlich-praktische Teil. Vor einem Jahr haben das Physikum 92 Prozent der Prüflinge bestanden.

(Text: Universitätsmedizin Magdeburg)

Auch im Rentenalter in Beschäftigung

Aus dem Geburtsjahrgang 1950 gingen etwa 170.000 Personen sechs Monate nach Erreichen des Regelrentenalters 65 plus, also dem je nach Geburtsjahr geltenden gesetzlichen Renteneintrittsalter, einer abhängigen Beschäftigung nach. Dabei arbeiten besser ausgebildete Beschäftigte häufiger als geringqualifizierte im Rentenalter weiter – und auch öfter für denselben Arbeitgeber. Das geht aus einer am 15. August veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.
Auch im Rentenalter in Beschäftigung
Bild: dpa

Dieser Befund lasse sich unter anderem durch Fachkräfteengpässe erklären, denn qualifiziertes Personal sei derzeit schwer zu ersetzen, erläutert der IAB-Forscher Christian Westermeier. Auch Personen, die im Alter von Mitte 50 besonders wenig verdient haben, arbeiten signifikant häufiger noch mit 65 plus und bleiben öfter beim selben Arbeitgeber. „Dies erklärt sich auch daraus, dass diese Personen meist schon in der Vorruhestandsphase nur geringfügig beschäftigt waren und sich Minijobs aus steuerlichen und rentenrechtlichen Gründen leicht neben einer Altersrente fortführen lassen“, so Westermeier.

Zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Ost und West gibt es kaum quantitative Unterschiede bei der Erwerbsbeteiligung nach der Altersgrenze. Auch die Branche, in der vor Erreichen des Rentenalters gearbeitet wurde, hat kaum einen Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung 65 plus. Allerdings ist in einigen Branchen ein Wechsel in einen anderen Betrieb deutlich wahrscheinlicher als in anderen. Dies ist etwa in der öffentlichen Verwaltung oder in der Finanz- und Versicherungsbranche der Fall. Relevant ist das auch insofern, weil diejenigen, die nach dem 58. Lebensjahr noch einmal den Betrieb wechseln, im Mittel eine ungünstigere Lohnentwicklung im Vergleich zu Personen ohne Betriebswechsel haben.

Zwischen den Geburtskohorten 1945 und 1950 ist die Beschäftigung kurz nach der Regelaltersgrenze 65 plus relativ zur Größe der Gruppe um drei Prozentpunkte auf 14 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen hat sie sich zwischen den Jahrgängen 1945 und 1950 verdoppelt.
(Text: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)

Bis wann darf der Arbeitgeber Urlaubsanträge einfordern?

Manche Arbeitgeber fordern ihre Mitarbeiter schon jetzt auf, ihre Urlaubspläne bis Jahresende einzureichen. Doch wie sieht es rechtlich aus? Kann der Chef seine Angestellten zwingen, ihren Jahresurlaub bis zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahr einzureichen?
Bis wann darf der Arbeitgeber Urlaubsanträge einfordern?
Bild: dpa-tmn

«Mit disziplinarischen Konsequenzen wie einer Abmahnung muss kein Mitarbeiter rechnen, der das nicht tut», sagt Peter Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Es sei das Eigeninteresse des Arbeitnehmers, dass er seine Erholungs- und Urlaubszeiten einplane. Arbeitnehmer, die der Aufforderung des Arbeitgebers, den Urlaub bis zum Jahresende zu planen und zu nehmen, nicht nachkommen, müssen damit rechnen, im Zweifel bei der Urlaubsplanung das Nachsehen zu haben.

Das gelte etwa für Urlaubszeiten, zu denen alle frei haben wollen, oder während der Schulferien, erklärt Meyer. Hat der Arbeitgeber die Belegschaft aufgefordert, sich abzustimmen, können die Anträge zum Beispiel nach einem Rankingsystem bearbeitet werden. Wer als letzter und verspätet seinen Antrag einreicht, hat dann womöglich in der Weihnachtszeit Dienst - weil andere Urlaubswünsche bevorzugt berücksichtigt wurden.

In Unternehmen mit Betriebsräten ist auch dieser an der Urlaubsplanung beteiligt, so der Fachanwalt, der Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Die Arbeitnehmervertretung kann mit festlegen, bis zu welchem Datum die Urlaubsanträge eingereicht werden sollen und wie bei kollidierender Urlaubsplanung eine Einigung erfolgt.

Wer aber trotz Aufforderung des Arbeitgebers seinen Jahresurlaub nicht verplant, muss damit rechnen, dass dieser zum Jahresende oder zum 31. März des Folgejahres verfällt. Zwar ist das nach den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr automatisch der Fall.

Jedoch kann der Urlaub verfallen, wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zuvor ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie ihre offenen Urlaubstage bis zum Jahresende nehmen sollen, und dass anderenfalls nicht genommener Urlaub ersatzlos verfällt.
(Text: dpa)

Viele Beschäftigte fühlen sich durch Störungen im Job gestresst

Mehr als jeder zweite Beschäftigte im Dienstleistungssektor fühlt sich häufig bei der Arbeit unterbrochen oder gestört. Das zeigt eine neue Studie der Gewerkschaft Verdi, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Insgesamt sind es 52 Prozent der Befragten, die sich sehr häufig oder oft unter anderem durch technische Probleme, Telefonate oder Kollegen gestört fühlen.
Viele Beschäftigte fühlen sich durch Störungen im Job gestresst
Bild: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Das führt in vielen Fällen zu Stress. So fühlen sich 43 Prozent derer, die sich oft gestört fühlen, dadurch belastet. Also ist unterm Strich insgesamt fast jeder Vierte nach eigenen Angaben durch solche Störungen gestresst.

Nie oder selten gestört fühlen sich 48 Prozent der Befragten - das werten die Studienautoren als Hinweis darauf, dass die Beschäftigten nicht jeden Rhythmuswechsel, jede Neuanforderung und jeden Zwischenruf als Störung einstufen.

Störungsquellen gibt es laut Verdi viele. Sie reichen von einer Überhäufung der Beschäftigten mit Zusatzaufgaben, ständige technische Probleme, falsche Zusammensetzungen in Großraumbüros bis hin zu Vorgesetzten, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind.

Störungen gehen häufig mit Arbeitsverdichtung einher. Bei hoher Arbeitsintensivierung fühlen sich 69 Prozent der Befragten sehr häufig im Arbeitsablauf gestört. Bei gleichbleibenden beruflichen Anforderungen sind es laut der Studie nur 47 Prozent.

Besonders häufig betroffen von Störungen im Arbeitsablauf sind Beschäftigte der IT-Branche (79 Prozent), im Bereich der Telekommunikation (76 Prozent), bei Finanzdienstleistungen (72 Prozent), in der öffentlichen Verwaltung (61 Prozent), im Gesundheitswesen (59 Prozent) und im Einzelhandel (49 Prozent).

Digitalisierte Arbeit ist laut der Umfrage störungsanfälliger. Wo die Digitalisierung schon weit fortgeschritten ist, klagen 62 Prozent der Befragten darüber. Wer nur in geringem Maße oder gar nicht mit digitalen Mitteln arbeitet, wird demnach nur in 38 Prozent der Fälle gestört.

«Die Belastungsspirale im Dienstleistungssektor ist ein wesentlicher Grund für die steigende Zahl von Stresskranken», sagte der stellvertretende Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Pausen und ein angemessenes Arbeitstempo könnten solche Belastungen vermindern.
(Text: dpa)

Arbeitnehmer vor massivem Jobverlust in Krise schützen

Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Noch ist nicht klar, ob es sich um eine Delle oder Schlimmeres handelt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) baut jedenfalls vor und will Arbeitnehmer in einer Konjunkturkrise besser vor dem Verlust ihres Jobs schützen. «Für den Fall, dass es sich nicht nur um eine Konjunkturabkühlung handelt, wollen wir uns auch für den Krisenfall wappnen», sagte Heil im rheinland-pfälzischen Herxheim. Kurzarbeitergeld soll leichter fließen, Qualifizierung stärker öffentlich gefördert werden.
Arbeitnehmer vor massivem Jobverlust in Krise schützen
Bild: Kay Nietfeld/dpa

Der SPD-Politiker stellte Grundzüge eines geplanten «Arbeit-von-morgen-Gesetzes» vor, das er im Herbst vorlegen wolle. «Wir werden alle Instrumente zur Verfügung haben, die wir brauchen, um eine konjunkturelle Krise auf dem Arbeitsmarkt flankieren zu können», sagte Heil am 12. August während einer Sommerreise vor Journalisten. Zugleich wolle er die Arbeitnehmer mit dem Gesetz in die Lage versetzen, den Wandel von Jobs durch digitale Technologien und ökologische Erfordernisse mitzugehen. Heil sprach von einem «Instrumentenkasten, damit wir dafür sorgen, dass die Beschäftigten den Anschluss nicht verlieren».

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft leidet unter internationalen Handelskonflikten, die Kunden weltweit verunsichern. Hinzu kommt der Strukturwandel in der Autoindustrie, der Zulieferer, aber auch Maschinenbauer und Chemieunternehmen belastet. Nach Einschätzung von Ökonomen ist Europas größte Volkswirtschaft im zweiten Quartal gegenüber dem Jahresanfang nicht mehr gewachsen, möglicherweise sogar geschrumpft. Die für das dritte Vierteljahr erhoffte deutliche Konjunkturerholung steht zunehmend in Frage.

Der Arbeitsmarkt trotzt bislang zwar der Konjunkturschwäche. Die Bundesagentur für Arbeit sieht auch keine Anzeichen für eine drohende Krise. Das Interesse der von Auftragsflauten bedrohten Firmen an Kurzarbeit ist zuletzt aber gewachsen. Im Juni verzeichnete die BA Anzeigen über Kurzarbeit für 16 400 Personen, mehr als eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 hatte jeder 20. Arbeitnehmer kurz gearbeitet. Derzeit ist es nach BA-Angaben nur jeder 1000.

Viele deutsche Unternehmen haben immer noch Probleme, geeignetes Personal zu finden. Im zweiten Quartal 2019 registrierte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der BA 1,39 Millionen offene Stellen. Besonders schwer sei es etwa in Gesundheitsberufen oder im Gastgewerbe, Leute zu finden.

Das Gesetz soll nach Heils Worten vor allem am seit Jahresbeginn geltenden Qualifizierungschancengesetz anknüpfen. Durch dieses Gesetz kann die BA Weiterbildungskosten zumindest teilweise übernehmen. Die Arbeitgeber erhalten Lohnkostenzuschüsse, wenn sie ihre Beschäftigten während der Weiterbildung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts freistellen. Außerdem will Heil den Einsatz von Kurzarbeitergeld erleichtern, nachdem das Instrument geholfen hatte, eine massive Ausweitung der Arbeitslosigkeit in der Finanzkrise zu verhindern.

Heil kündigte an, wo immer es gehe, solle künftig Kurzarbeit auch mit Qualifizierung verbunden werden. Höhere Zuschüsse der BA dafür sowie zum Lohn sollen möglich werden. Zudem sollen Beschäftigte in einem Unternehmen, in dem sie eigentlich keine dauerhafte Perspektive mehr haben, zunächst mit öffentlicher Förderung im Betrieb bleiben können. Auch dabei soll es Zuschüsse sowohl zur Weiterbildung als auch zum Lohn geben.

Wenn ein Unternehmen Beschäftigte in eine Transfergesellschaft überführt, weil sie im angestammten Betrieb keine Perspektive mehr haben, soll dort längere Weiterbildung ermöglicht werden. Heute geltende Regeln - etwa die, dass Betroffene mindestens 45 Jahre alt sein müssen - sollen gelockert werden.

Falls Arbeitnehmer in einer Konjunkturkrise Kurzarbeitergeld beziehen und in einer Weiterbildung sind, soll der Staat leichter die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers übernehmen. Erleichterungen beim konjunkturellen Kurzarbeitergeld sollen im Krisenfall schnell eingeführt werden können.

Das finanziellen Mittel für die Pläne sind Heil zufolge angesichts der Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit von mehr als 20 Milliarden Euro vorhanden. «Ich gehe nicht davon aus, dass das, was ich jetzt auf den Weg bringe, zu irgendeiner Beitragssatzerhöhung führt.»

Die IG Metall lobte die Pläne. «Jetzt muss die GroKo schnell umsetzen», sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). «Ich begrüße, dass Arbeitsminister Heil die Kernforderung der IG Metall aufgegriffen hat, Kurzarbeit und Qualifizierung zu verbinden.»

Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall äußerte sich positiv. «Wenn der Arbeitsminister dafür sorgt, dass der Kurzarbeit-Werkzeugkasten aus der Krise dann bereitsteht, wenn eine Krise eintritt, ist das sehr zu begrüßen», sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (NOZ). Der Strukturwandel dürfe aber nicht verhindert werden.

Der Arbeitgeberverband BDA begrüßte die geplanten Erleichterungen bei Kurzarbeit, mahnte aber auch, «wenn Maßnahmen der Weiterbildung ergriffen werden, muss die Initiative immer vom Unternehmen ausgehen und sich an dessen Bedarf orientieren.»

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte: «Die Bundesregierung als Ganzes sollte sich nicht nur darum kümmern, auf die Krise zu reagieren, sondern die Krise zu verhindern.» Notwendig sei unter anderem nachhaltiges Investitionsprogramm des Bundes in Infrastruktur, Schulen, Klimaschutz und Digitalisierung. Der Arbeitsmarkt-Sprecher der FDP-Fraktion Johannes Vogel meinte, es dürften nicht nur Symptome behandelt werden.

(Text: Basil Wegener und Friederike Marx, dpa)

Mindestlohn für Dachdecker steigt

Der tariflichen Mindestlohn im Dachdeckerhandwerk soll in den kommenden beiden Jahren angehoben werden. Für Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung soll er zum 1. Januar 2020 um 40 Cent auf 13,60 Euro pro Stunde steigen und ein Jahr später auf 14,10 Euro, wie der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) gestern (15. August) in Köln mitteilte. Für Mitarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung soll der Mindestlohn von jetzt 12,20 Euro in den zwei Schritten auf 12,60 Euro steigen.
Mindestlohn für Dachdecker steigt
Bild: dpa

Der Mindestlohn im Dachdeckerhandwerk liegt über dem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, der aktuell 9,19 Euro beträgt und am 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro steigt. Das sei nötig, weil das Dachdeckerhandwerk in Konkurrenz um Fachkräfte und Auszubildende stehe, sagte ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk laut Mitteilung. Die Branche müsse «finanzielle Anreize setzen, sonst laufen unsere umfangreichen Bemühungen um Nachwuchs ins Leere».

Der Zentralverband und die Gewerkschaft IG BAU wollen jetzt beim Bundesarbeitsministerium einen Antrag auf Erlass einer Rechtsverordnung stellen, damit der Mindestlohn für alle Dachdeckerunternehmen verbindlich wird, die in Deutschland tätig sind - also auch für solche, die ihren Sitz im Ausland haben. Für tarifgebundene Dachdeckerunternehmen gelten höhere Stundensätze. Dort beträgt der sogenannte Ecklohn für einen Gesellen nach Angaben der Gewerkschaft aktuell 18,58 Euro in der Stunde und steigt ab dem 1. Oktober auf 19,12 Euro.
(Text: dpa)

1,39 Millionen Stellen im 2. Quartal unbesetzt

Viele deutsche Unternehmen haben ungeachtet erster Anzeichen für eine konjunkturelle Eintrübung noch immer Probleme, geeignetes Personal zu finden. Im zweiten Quartal 2019 registrierte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg 1,39 Millionen offene Stellen. Besonders schwer sei es etwa in Gesundheitsberufen oder im Gastgewerbe, Leute zu finden. «Wir haben eine weiterhin sehr hoche Personalnachfrage», sagte IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis.
1,39 Millionen Stellen im 2. Quartal unbesetzt
Bild: dpa

Damit sind im 2. Quartal deutschlandweit 9000 Stellen mehr zu besetzen, als noch im Durchschnitt der Monate Januar bis März und sogar 175 000 mehr als im Vergleichszeitraum 2018. An die Rekordzahl des Schlussquartals 2018 reicht der gegenwärtige Wert allerdings nicht heran. Zwischen Oktober und Dezember 2018 waren im Durchschnitt 1,46 Millionen Stellen unbesetzt. Dies war der höchste Wert seit Beginn der gesamtdeutschen Aufzeichnungen im Jahr 1992.

Die Nürnberger Arbeitsmarktforscher beobachten mit Spannung, wie sich die sich abzeichnende Abschwächung der Konjunktur auf den Arbeitsmarkt auswirken werde. Bisher zeichne sich ein gedämpfter Durchschlag ab, sagte Kubis.

Zum einen versuchten die Betriebe eingedenk des Fachkräftemangels, ihre Mitarbeiter so lange wie möglich zu halten, um nicht später wieder in Engpässe zu geraten. «Unbesetzte Stellen kann man sich über längere Zeiträume nicht leisten», sagte Kubis. Andererseits seien Branchen wie etwa der stark gewachsene Gesundheitssektor weniger konjunktur- und kaum exportabhängig.

(Text: dpa)

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