Wegen einer schwachen Herbstbelebung am Arbeitsmarkt ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im September im Vergleich zum Vormonat nur leicht um 66.000 auf 2,806 Millionen Menschen gesunken. Das sind 179.000 mehr als im Vorjahr, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote sank im September im Vergleich zum August um 0,1 Punkte auf 6,0 Prozent.
«Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben im September zwar abgenommen, jedoch deutlich weniger als sonst in diesem Monat. Der Auftakt der Herbstbelebung am Arbeitsmarkt verläuft in diesem Jahr also nur schleppend», sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles, in Nürnberg.
Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften ging weiter zurück. Im September waren nach Angaben der Bundesagentur noch 696.000 offene Stellen zur Neubesetzung gemeldet. Das sind 65.000 weniger als vor einem Jahr.
Im Vergleich der Bundesländer liegt die Arbeitslosigkeit in Bremen mit einer Quote von 11,1 Prozent am höchsten, gefolgt von Berlin mit 9,8 Prozent. Die niedrigste Arbeitslosenquote im Ländervergleich verzeichnet Bayern mit 3,8 Prozent. Der Freistaat Thüringen und Brandenburg sind die ostdeutschen Länder mit der niedrigsten Quote bei jeweils 6,1 Prozent.
Die Kurzarbeit könnte wieder leicht anziehen. Zwischen dem 1. und dem 23. September seien Anzeigen für Kurzarbeit für 65.000 Personen eingegangen. Dies bedeutet eine deutliche Erhöhung im Vergleich zum Vormonat.
(Text: dpa)
In Deutschland bleiben immer mehr ältere Arbeitnehmer länger erwerbstätig. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 55 Jahren und dem jeweiligen Rentenalter habe sich im Zeitraum von Dezember 2000 bis Dezember 2023 auf knapp acht Millionen fast verdreifacht, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Das sei die höchste Zahl seit über 20 Jahren. Im Dezember 2013 waren es noch 4,8 Millionen, im Dezember 2003 etwa 2,6 Millionen.
Die Beschäftigungsquote der Älteren sei damit in den vergangenen zehn Jahren um 14 Punkte auf 59 Prozent geklettert. Bei der Gesamtbevölkerung im erwerbsfähigen Alter sei die Beschäftigungsquote im gleichen Zeitraum dagegen nur um 7 Prozentpunkte auf 63 Prozent gestiegen. In der Altersgruppe von 65 bis 69 Jahren sinkt die Beschäftigungsquote dagegen nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf 20 Prozent.
Deutschland liegt damit nach einer IAB-Studie klar über dem Durchschnitt der OECD-Länder und innerhalb der EU-Länder auf Rang zwei hinter Schweden, was die Erwerbsbeteiligung Älterer zwischen 55 und 64 Jahren betrifft. Bei der Erwerbsbeteiligung über 65 Jahren liegt Deutschland allerdings nur im hinteren Drittel und klar unter dem OECD-Durchschnitt.
Gründe für diese Entwicklung gibt es mehrere: Einerseits wird die Gesamtbevölkerung älter, und das Renteneintrittsalter wurde nach oben verschoben. Andererseits seien Ältere aus den «Babyboomer»-Jahrgängen der 1960er Jahren inzwischen auch eher geneigt, länger zu arbeiten, heißt es. Trotzdem sei es für Menschen über 55 noch immer schwer, einen Job zu finden, wenn sie erst einmal arbeitslos geworden sind. Wer etwa mit 63 oder 64 Jahren arbeitslos wird, hat als Mann nur eine 9-Prozent-Chance, binnen zwei Jahren wieder eine Arbeit aufzunehmen. Für Frauen sind die Chancen noch schlechter.
«Zur Fachkräftesicherung brauchen wir jeden klugen Kopf und jede fähige Hand. Deswegen ist es trotz der guten Beschäftigungsquote wichtig, dass Unternehmen auch den Älteren auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen einräumen», sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles. Ältere brächten oft wertvolle Kompetenzen und viel Erfahrung mit.
(Text: dpa)
Die Regelung betrifft laut Gewerkschaft rund 11.000 Beschäftigte in Hamburg, Bremen und wichtigen Seehäfen Niedersachsens.
Der Stundenlohn steigt von Oktober an um 1,15 Euro. Zuschläge für Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit nehmen zu. Das Urlaubsgeld erhöht sich von 2025 an auf 430 Euro. Die Arbeitgeber zahlen zudem eine Inflationsausgleichsprämie von 1.700 Euro. Verdi hatte ursprünglich gefordert, dass die Stundenlöhne um drei Euro steigen.
Verdi-Mitglieder stimmten mehrheitlich für Angebot:
Während der Verhandlungen wurden mehrere Warnstreiks ausgerufen, unter anderem in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven. «Wir haben in dieser Tarifrunde einen langen Atem bewiesen, und das hat sich ausgezahlt», sagte Verdi-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich. Vom Arbeitgeberverband, dem Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), lag zunächst keine Stellungnahme vor. Der ZDS hatte zuletzt von einer vorläufigen Einigung gesprochen.
Die Gewerkschaft hatte das ZDS-Angebot ihren Mitgliedern vor der Entscheidung zur Abstimmung vorgelegt. 77,6 Prozent der Befragten votierten den Angaben nach für die Annahme.
(Text: dpa)
«Wir wollten an die Arbeitsmoral der Belegschaft appellieren.» Die IG Metall kritisiert dagegen eine sehr hohe Arbeitsbelastung in der Autofabrik und nannte die Hausbesuche eine «abwegige Aktion».
Tesla-Leitung beklagt zu hohen Krankenstand:
Auslöser für die unangekündigten Hausbesuche ist laut Tesla ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand in den Sommermonaten gewesen. «Phasenweise hat er 15 Prozent oder mehr erreicht», sagte Thierig. Zuvor berichtete das «Handelsblatt» über die Hausbesuche bei krank geschriebenen Mitarbeitern. Die Zeitung bezog sich auf eine ihr vorliegende Tonbandaufnahme von einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche.
In Grünheide in Brandenburg stellt Tesla seit mehr als zwei Jahren Elektroautos her. Dort arbeiten nach Unternehmensangaben knapp 12.000 Beschäftigte. Aber der Elektroautomarkt steckt in der Flaute.
Manager: Hausbesuche trafen auf Zuspruch bei Belegschaft!
Thierig sagte: «Wir haben die Belegschaft auf der Betriebsversammlung über die Hausbesuche informiert und unser Vorgehen dargelegt.» Es sei auf große Zustimmung der Belegschaft gestoßen. Zuvor habe es bereits das Feedback gegeben, dass Beschäftigte wegen der hohen Abwesenheit ihrer Kolleginnen und Kollegen frustriert seien.
«Alle sechs Wochen neue Krankmeldungen»
«Wir haben gut 200 Mitarbeiter festgestellt, die sich in der Lohnfortzahlung befinden, aber die in diesem Jahr noch gar nicht arbeiten waren. Sie bringen mindestens alle 6 Wochen neue Krankmeldungen», sagte Thierig. «Wir haben uns zwei Dutzend Fälle herausgesucht.» Nicht er selber, aber der Fertigungs- und der Personalleiter hätten dann unangekündigt Hausbesuche bei den Beschäftigten gemacht. «Ein Großteil wurde nicht angetroffen, teils war sehr aggressives Verhalten zu spüren.»
Thierig: Arbeitsbedingungen nicht der Grund!
Aus Sicht des Tesla-Managers liegt der Grund für den Krankenstand nicht bei den Arbeitsbedingungen. «In unseren Analysen zur Anwesenheit sind Phänomene offensichtlich geworden: freitags und in Spätschichten sind circa 5 Prozent mehr Mitarbeiter krankgemeldet als an anderen Wochentagen», sagte Thierig.
«Das ist kein Indikator für schlechte Arbeitsbedingungen, denn die Arbeitsbedingungen sind an allen Arbeitstagen und in allen Schichten gleich. Es suggeriert, dass das deutsche Sozialsystem ein Stück weit ausgenutzt wird.» Tesla habe mehr als 1.500 Leiharbeitnehmer, die unter den gleichen Bedingungen arbeiteten. Hier liege der Krankenstand bei zwei Prozent.
Thierig betonte, einen Generalverdacht gegen Kranke gebe es bei Tesla nicht. «Wir wollten den Dialog mit Mitarbeitern suchen und wissen, was bei ihnen los ist. Ein persönlicher Besuch hat dabei eine andere Wirkung als ein Anruf.» Der Krankenstand sei auch zurückgegangen. «Wir haben einen Effekt der Verbesserung festgestellt.» Thierig: «Weitere Hausbesuche möchte ich nicht ausschließen.»
IG Metall: Tesla setzt Kranke unter Druck!
Der Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, kritisierte, Kranke würden unter Druck gesetzt. «Beschäftigte aus fast allen Bereichen des Werks berichteten von extrem hoher Arbeitsbelastung», sagte er. «Wenn Personal fehlt, werden die Kranken unter Druck gesetzt und die noch Gesunden mit zusätzlicher Arbeit überlastet. Wenn die Werkleitung den Krankenstand wirklich senken will, sollte sie diesen Teufelskreis durchbrechen.»
Thierig sagte, das Unternehmen mache wirklich viel für Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen. Er verwies etwa auf ein Fitnessstudio im Werk, Betriebsärzte, Physiotherapeuten und ergonomische Verbesserungen der Arbeitsplätze.
(Text: dpa)
Im langjährigen Vergleich sei die Kurzarbeit leicht erhöht, hieß es vom Ifo. Der aktuelle Anstieg sei angesichts der schlechten Wirtschaftslage vergleichsweise gering. «Dies ist allerdings kein positives Zeichen», betont Ifo-Experte Sebastian Link. «Vielmehr verdeutlicht es, dass viele betroffene Unternehmen die Krise als sehr schwerwiegend ansehen. Deshalb scheinen sie trotz Arbeitskräfteknappheit eher Beschäftigung abzubauen oder Standorte zu verlagern, statt diese mithilfe von Kurzarbeit zu überbrücken.»
Besonders häufig berichteten Möbelhersteller von Kurzarbeit. Bei ihnen waren es 29,2 Prozent. Dahinter folgten die Metallerzeugung mit 27,7 und die Herstellung elektrischer Ausrüstung mit 23,1 Prozent. Im Maschinenbau und der Autobranche waren es 19,8 beziehungsweise 19,3 Prozent der Betriebe, die von Kurzarbeit berichteten. In der Chemie wurde dagegen nicht von nennenswerter Kurzarbeit berichtet.
Der Anteil der Beschäftigten in Kurzarbeit ist dabei deutlich niedriger. Auch ein Betrieb, bei dem nur ein kleiner Teil der Belegschaft in Kurzarbeit ist, gilt im Sinne der Umfrage als Betrieb mit Kurzarbeit. Die aktuellsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zur Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit beziehen sich auf den Juni. Damals wurde - über alle Branchen - nach vorläufigen Berechnungen 232.000 Beschäftigten Kurzarbeitergeld bezahlt.
(Text: dpa)
Mit weit auseinander liegenden Vorstellungen von Arbeitgebern und Gewerkschaft haben in der Metall- und Elektroindustrie die Tarifverhandlungen begonnen. Den Auftakt der zunächst regionalen Verhandlungen machten die Bezirke Baden-Württemberg, Bayern und Berlin-Brandenburg-Sachsen. Im Laufe der kommenden Tage sollen Verhandlungen in weiteren Tarifgebieten folgen.
In mehreren Runden tasten die Tarifpartner für gewöhnlich ab, wo eine Lösung gefunden werden kann. Ab Ende Oktober sind mit Ablauf der sogenannten Friedenspflicht Warnstreiks möglich und wahrscheinlich. Zur Branche zählen unter anderem die Automobilhersteller und deren Zulieferer, aber auch der Maschinenbau.
Was die IG Metall fordert:
170 Euro für Azubis und 7 Prozent mehr Geld für alle anderen: Auf diese Formel hat sich die Gewerkschaft nach monatelangen Abstimmungen, Konferenzen und Beratungen geeinigt. Die dritthöchste Forderung seit 30 Jahren wird vor allem mit den Kaufkraftverlusten für die Arbeitnehmer in den zurückliegenden Hochinflationsjahren begründet. Arbeitgebervertreter hatten auf die maue Konjunktur verwiesen und teils Nullrunden gefordert.
(Text: dpa)
Menschen mit formal niedrigen Bildungsabschlüssen haben in Deutschland bessere Chancen auf Jobs als in anderen Industrieländern. Von ihnen waren im vergangenen Jahr rund 66 Prozent erwerbstätig, wie das Statistische Bundesamt berichtet - und damit mehr als im Schnitt der OECD-Staaten mit 60 Prozent. In dieser Gruppe erfasst sind vor allem Menschen ohne beruflichen oder akademischen Abschluss. Auch ein Abschluss der Haupt- oder Realschule ohne anschließende Ausbildung fällt noch in diese Kategorie.
Auch bei einer mittleren Qualifikation - Berufsabschluss und/oder mindestens Fachhochschulreife - liegt die deutsche Erwerbstätigenquote mit 83 Prozent über dem OECD-Schnitt von 77 Prozent. Von den Hochqualifizierten mit Meisterbrief oder Hochschulabschluss waren sogar 89 Prozent erwerbstätig. Auch diese Quote bewegt sich über dem Schnitt in den OECD-Ländern von 87 Prozent.
Im Ländervergleich zeigt sich, dass Personen mit formal niedrigem Bildungsstand in Bayern (74 Prozent) und Baden-Württemberg (72 Prozent) weit häufiger erwerbstätig sind als in Sachsen-Anhalt, Berlin und Sachsen, wo jeweils nur 58 Prozent erreicht werden.
(Text: dpa)
Analysten wurden davon positiv überrascht. Sie hatten für Juli im Schnitt einen Rückgang um 1,7 Prozent erwartet. Für Juni 2024 ergab sich nach Revision der vorläufigen Ergebnisse ein Plus von 4,6 Prozent gegenüber Mai 2024 (bisher: 3,9 Prozent). Der DIHK sprach von einem «Hoffnungsschimmer». Es gebe aber keinen Grund zur Entwarnung.
Im Jahresvergleich zeigte sich ebenfalls eine positive Entwicklung. In dieser Betrachtung meldete das Bundesamt einen Zuwachs um 3,7 Prozent, nach einem Rückgang um revidiert 11,2 Prozent im Vormonat.
Großaufträge sorgen für Plus!
Für das positive Ergebnis im Juli haben Großaufträge gesorgt. Diese herausrechnet, sei der Auftragseingang um 0,4 Prozent geringer gewesen als im Juni, heißt es weiter. Eine positive Entwicklung zeigte der Dreimonatsvergleich. Von Mai bis Juli sei der Auftragseingang um 1,7 Prozent höher ausgefallen, als in den drei Monaten zuvor.
Die positive Entwicklung der Auftragseingänge im Juli sei insbesondere auf den deutlichen Anstieg im «sonstigen Fahrzeugbau» - dazu zählen Flugzeuge, Schiffe, Züge, Militärfahrzeuge - zurückzuführen. Hier lagen die Neuaufträge den Angaben zufolge aufgrund mehrerer Großaufträge um 86,5 Prozent höher als im Vormonat.
«Hoffnungsschimmer, aber keine Entwarnung»
DIHK-Außenwirtschaftsexpertin Lola Machleid nannte den erneuten Zuwachs bei den Auftragseingängen zumindest einen Hoffnungsschimmer. «Für Entwarnung ist es aber zu früh. Es bleibt abzuwarten, ob der Schub durch neue Großaufträge ein Vorzeichen für einen positiven Trend ist.» Die Verunsicherung in der Wirtschaft bleibe groß. Hohe Kosten und ungewisse wirtschaftliche Rahmenbedingungen belasteten weiterhin die Investitionsbereitschaft und die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen hierzulande.
(Text: dpa)
Wie viele Arbeitsplätze an den einzelnen Orten wegfallen, steht den Angaben zufolge bisher nicht fest. Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsräten laufen demnach noch. Mubea hat auch Werke in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern), Oberpfaffenhofen (Bayern) und Dingelstädt (Thüringen). Diese sind jedoch nicht von dem Stellenabbau betroffen, wie die Sprecherin sagte. Zuvor hatten andere Medien über die Pläne berichtet.
Die Entscheidung sei notwendig, «um die Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Stabilität der Mubea-Unternehmensgruppe in einem zunehmend herausfordernden Marktumfeld zu sichern», sagte der Geschäftsführende Gesellschafter, Thomas Muhr.
«Kapazitäten erheblich unterausgelastet»
Das Unternehmen verwies in einer Mitteilung auf einen Umsatzrückgang der europäischen Automobilindustrie. Die Situation habe sich in den vergangenen Monaten deutlich verschärft. Als Grund genannt wurden unter anderem auch «Unsicherheiten bei neuen Antriebstechnologien». Dies führe dazu, «dass die Kapazitäten sowohl bei Automobilherstellern als auch deren Zulieferern erheblich unterausgelastet sind und erfordert eine Anpassung der Strukturen an die gesunkene Nachfrage», hieß es weiter.
Mubea hat deutschlandweit 5000 Mitarbeiter und sechs Standorte. Das Unternehmen beliefert als Leichtbauspezialist vor allem die Autoindustrie, ist aber auch im Luftfahrtsektor tätig. Im Jahr 2023 erwirtschaftete Mubea nach eigenen Angaben einen Umsatz von etwa 3,1 Milliarden Euro. Weltweit sind 17.000 Mitarbeiter an 54 Standorten beschäftigt.
(Text: dpa)
Schuld an der Krise bei Volkswagen seien nicht die Mitarbeiter, sondern die Konzernführung, sagte Cavallo laut Redemanuskript. «Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.» Dafür dürfe man nun nicht die Belegschaft zur Verantwortung ziehen. Stattdessen appellierte sie an den Vorstand, seiner Verantwortung für die VW-Standorte gerecht zu werden. Die Sparpläne des Vorstands bezeichnet sie als «Armutszeugnis» und «Bankrotterklärung».
Bundesregierung im Gespräch mit VW:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach derweil nach Angaben eines Regierungssprecher sowohl mit dem Management als auch mit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden sowie Aufsichtsrats-Mitgliedern gesprochen. Dem Kanzler sei die Bedeutung von VW als eines der größten Unternehmen der Autoindustrie klar. Er sei sich bewusst über die Herausforderung der Transformation, vor der die gesamte Branche stehe. Scholz werde die Entwicklung ganz genau verfolgen. Es sei Sache des Unternehmens, die Probleme zu lösen, da mische sich die Bundesregierung nicht ein.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte in Berlin, es müsse gelingen, mit allen Beteiligten dafür zu sorgen, dass alle Standorte gesichert und betriebsbedingte Kündigungen bei VW vermieden werden. Deshalb sei jetzt die Stunde der Betriebs- und Sozialpartnerschaft. «Es muss Verantwortung übernommen werden, auch vom Konzern. Wir werden das politisch nicht nur beurteilen oder begleiten, sondern wir werden, wo nötig, auch unterstützen.» Heil nannte erneut die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Er verwies zudem auf im Kabinett auf den Weg gebrachten steuerlichen Anreize für E-Autos als Dienstwagen, um die Nachfrage anzukurbeln.
Konzernspitze verteidigt Sparkurs!
Die VW-Spitze verteidigte vor der versammelten Belegschaft ihren verschärften Sparkurs. «Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber diese Zeit müssen wir nutzen», sagte Konzern-Finanzchef Arno Antlitz. «Wir geben in der Marke seit geraumer Zeit schon mehr Geld aus, als wir einnehmen. Das geht nicht gut auf die Dauer!» Mit den Einsparungen wolle VW die Mittel freisetzen, die man für neue Produkte brauche. «Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren», sagte Markenchef Thomas Schäfer.
Konzernchef Oliver Blume stellte sich auf der Versammlung demonstrativ hinter den Kurs seines Markenvorstands. «Die aktuelle Lage bei VW berührt uns alle emotional, auch mich persönlich», sagte der gebürtige Braunschweiger. «Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört - das ist die Verantwortung von uns allen.» Das Führungsteam der Kernmarke habe dabei seine «volle Unterstützung».
Europas größter Autobauer hatte angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Auch Werkschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschließt, soll aufgekündigt werden. Erstmals seit 30 Jahren könnte es bei VW dann Entlassungen geben.
Welche Standorte müssen bangen?
VW macht bisher keine Angaben, ob tatsächlich ganze Werke geschlossen werden sollen und welche Standorte konkret es treffen könnte. Finanzvorstand Arno Antlitz erklärte auf der Betriebsversammlung aber: «Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke.» Schuld seien nicht Fehler von VW, sondern die generell schwache Nachfrage nach Neuwagen in Europa.
Sorgen machen sich vor allem die Standorte außerhalb Wolfsburgs. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hatte sich am Montag mit Blick auf die drei sächsischen Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden «alarmiert» gezeigt. In Niedersachsen sorgen sich vor allem Osnabrück, Emden und Braunschweig um die dortigen Standorte. Weitere Werke gibt es neben dem Stammwerk Wolfsburg in Hannover, Salzgitter und Kassel.
Der Konzern hatte zuvor erklärt, Werkschließungen wären nur die letzte Maßnahme, wenn es nicht gelinge, mit schnellen Maßnahmen gegenzusteuern. Bei VW wäre es das erste Mal seit 1998, dass ein Werk komplett verschwindet. Damals hatte VW die Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. In Deutschland wurde noch nie ein VW-Werk geschlossen.
Wie viele Stellen könnten wegfallen?
Bisher lässt VW auch offen, wie viele Stellen wegfallen könnten. Der Konzern hatte nur erklärt, dass der bisher mit dem Betriebsrat vereinbarte Stellenabbau über Altersteilzeit, Abfindungen und das Nichtbesetzen frei werdender Stellen nicht mehr ausreiche. Bis 2026 sollen die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent sinken. Wie viele Stellen dafür wegfallen müssen, ließ VW bisher stets offen. Es gehe um die Summe, nicht um Köpfe.
Der frühere Konzernchef Herbert Diess hatte vor drei Jahren in 30.000 Stellen gesprochen, die allein bei der Kernmarke wegfallen könnten - und hatte dafür von allen Seiten Kritik geerntet. Intern ist jetzt von rund 20.000 Stellen zu hören. Insgesamt hat VW in Deutschland 120.000 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte davon in Wolfsburg.
Heiße Tarifrunde erwartet!
Um die Pläne noch abzuwenden, wollen Gewerkschaft und Betriebsrat nun auch die bevorstehende Tarifrunde im Herbst nutzen. Sie rechne mit zähen Verhandlungen, sagte Cavallo. Bei VW gilt bisher ein Haustarif, der über dem sonst geltenden Branchentarif liegt. Laut Betriebsrat würde der Konzern die Entgelte am liebsten kürzen oder mindestens mehrere Nullrunden einlegen. Die IG Metall fordert dagegen sieben Prozent mehr Geld. Die Verhandlungen sollen im November beginnen, ab Dezember sind auch Warnstreiks möglich.
Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte VW zuvor aufgefordert, Standortschließungen zu vermeiden. Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. Weil und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen für das Land im Aufsichtsrat. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern haben sie dort die Mehrheit, bei wichtigen Entscheidungen hat das Land ein Veto-Recht.
(Text: Frank Johannsen, dpa)