Jeder Dritte berichtete in der Umfrage unter 20.000 Erwerbstätigen über Schlafstörungen, jeder vierte Befragte über Niedergeschlagenheit. Immer mehr Mediziner und Psychologen warnen angesichts dieser Entwicklung davor, dass die neue Arbeitswelt künftig immer mehr Menschen dauerhaft überfordern könnte. "Die mentale Gesundheit ist die wichtigste Ressource im modernen Arbeitsleben", sagte Professor Dr. Reinhart Schüppel, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Chefarzt an der Johannesbad Fachklinik Furth im Wald, jetzt bei der Fachtagung "Burnout - schneller, agiler, digitaler - bis zur Erschöpfung".
Dort kamen, initiiert vom Berufsförderungswerk der Eckert Schulen in Regenstauf bei Regensburg, mehr als 60 Experten von Reha-Kostenträgern aus ganz Deutschland zusammen. Dazu gehören beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung, die Berufsgenossenschaften und die Agenturen für Arbeit. Sie übernehmen die Kosten, wenn Menschen nach einem Unfall, aber auch nach einer psychischen Erkrankung nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten können. An den bundesweit rund 30 Berufsförderungswerken erhalten sie dann eine zweite Chance, indem sie einen neuen Beruf erlernen.
Macht digitale Arbeit krank? Die Zahl der Krankschreibungen aus psychischen Gründen hat sich in Deutschland zwischen 2004 und 2014 mehr als verdoppelt, erreichten beispielsweise bei der DAK 2016 einen neuen Allzeit-Höchststand. "Burnout ist ein etwas unscharfes Krankheitsbild und hat keinen eigenen Diagnoseschlüssel", sagt Friedrich Geiger, Reha-Experte am Berufsförderungswerk der Eckert Schulen. Burnout könne als Reha-Leiden nicht dokumentiert werden, es sei keine offizielle Diagnose. "Uns begegnet es daher in der Regel als begleitendes Symptom oder auch in Gestalt einer hohen Erwartungshaltung an sich selbst, einer Suchterkrankung, einer Depression, oder einer sonstigen psychischen Erkrankung", sagt Geiger. Auch Professor Schüppel sieht im Burnout eine wachsende Herausforderung als "kleine Schwester der Depression".
Vier große Einflüsse unserer Zeit hat Professor Schüppel als Ursachsen für die wachsende Gefahr des "Ausbrennens" am Arbeitsplatz identifiziert: das Ausbleiben einer versprochenen Belohnung wie etwa einen Dienstwagen (Gratifikationskrise) und gefühlte Ungerechtigkeit, beispielsweise wenn ein Kollege mehr Geld für die gleiche Arbeit bekommt. Der dritte Faktor ist die Wochenarbeitszeit: "Alles über 55 Stunden pro Woche bringt ein Zusatzrisiko für Depression, Schlaganfall und Herzinfarkt", so der Psychosomatiker. Der vierte Faktor ist das Gefühl, über die eigene Situation keine Kontrolle, keine Entscheidungs- und Lösungsoptionen mehr zu haben.
Was kann jeder einzelne dafür tun, dass die Arbeit 4.0 die Seele nicht krank macht? "Jeder kann seine Resilienz trainieren, also die Fähigkeit, mit Stress umzugehen und den eigenen Stresslevel zu senken", sagt Professor Schüppel. Dazu gehöre es, selbst aktiv zu steuern, dass die Arbeit nicht auch den kompletten Feierabend und das Wochenende dominiere. Stress senken könne man auch mit gezielten Entspannungsmethoden wie Yoga oder Qigong. Auch Achtsamkeit sieht der Experte als wertvolles Training: wahrnehmen, was gerade ist, ohne über das nachzudenken, was war oder was kommt. Auch Sport und gemeinsame Aktivitäten mit anderen könnten helfen, Stress zu senken. Im Beruf sei es wichtig, die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit zu erkennen, um nicht in einen Kreislauf aus Erschöpfung, Zynismus und Hass auf den eigenen Job zu verfallen. "Führungskräfte haben also einen hohen Einfluss auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter", sagt Professor Schüppel.
Für die Experten der Eckert Schulen stand deshalb in den verschiedenen Workshops bei der Rehatagung vor allem eines im Mittelpunkt: Die Kostenträger dafür zu sensibilisieren, dass der "Zustand emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung als Reaktion auf eine dauerhafte Überforderungssituation am Arbeitsplatz", so die gängige Definition eines Burnouts, ein Risikofaktor der sich zunehmend digitalisierenden Arbeitswelt ist. "Burnout ist eine Herausforderung, die die Berufsförderungswerke in besonderer Weise trifft", so Geiger. Denn sie hätten nicht nur die Aufgabe, die Rehabilitanden sicher durch die Ausbildung zu begleiten, sondern auch bestmöglich auf die Arbeitswelt vorzubereiten, die sie dann später antreffen. In Deutschland gibt es etwa 12.000 Ausbildungsplätze für Menschen, die in den Berufsförderungswerken die Chance auf einen Neustart erhalten.
Um einen Pflichtverstoß, der arbeitsrechtliche Konsequenzen hat - eine Abmahnung oder sogar die Kündigung -, handelt es sich aber meistens nicht. «Dafür fehlt in der Regel das Verschulden», sagt Bredereck. «Wichtig ist allerdings, dass ich alles mir Zumutbare getan habe, um den Ausfall zu vermeiden.» Kostenpflichtig umbuchen, um rechtzeitig im Büro zu sein, müssen Reisende deshalb aber nur in Ausnahmefällen - etwa dann, wenn sie ihren Urlaub extrem knapp kalkuliert haben. (dpa-tmn)
Ledvance hatte angekündigt, mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze in Deutschland streichen zu wollen. Neben Augsburg soll auch das Werk Berlin geschlossen werden. In den Fabriken in Wipperfürth (Nordrhein-Westfalen) und im oberbayerischen Eichstätt sowie in der Zentrale in Garching bei München soll ebenfalls Personal abgebaut werden. Die ehemalige Osram-Tochter hat seit Jahren Probleme, weil die klassischen Ledvance-Produkte wie Leuchtstoffröhren durch den Trend zu LED-Lampen ein Auslaufmodell sind. In modernen LED-Angeboten sehen die Mitarbeiter ihre Chancen. Die Arbeitnehmervertreter bekräftigten, dass es Zukunftskonzepte für das Unternehmen gebe. Die vorliegenden Papiere sollen zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt werden.
Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Andreas Jakob sagte, die «angebliche Alternativlosigkeit» zu den Fabrikschließungen sei nicht haltbar. Die Ledvance-Geschäftsführung sei verpflichtet, Alternativen zu prüfen. Der Abbau von Arbeitsplätzen dürfe immer nur das allerletzte Mittel sein. Am 22. November hatte es erstmals ein Treffen der Stadt Augsburg mit Vertretern des Unternehmens und dem Betriebsrat gegeben. Daran hatte auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) teilgrnommen. Nach Angaben ihres Ministeriums könnte es eine Technologieförderung geben, falls Ledvance das Augsburger Werk mit rund 700 Beschäftigten doch nicht stilllegt.
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Zahlreiche Tarifverträge sehen Arbeitszeit-Korridore vor und insbesondere mitbestimmte Großunternehmen verfügen ganz überwiegend über Arbeitszeitkonten. Hinzu kommt, dass nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2016 insgesamt 820 Millionen bezahlte und noch einmal 941 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet wurden. Gleichzeitig ist für viele Beschäftigte die psychische Belastung durch ihre Arbeit gestiegen, daraus resultierende Krankheitsbilder verursachen zunehmend mehr Fehltage.
„Das zeigt: Wir brauchen nicht noch mehr Entgrenzung von Arbeitszeiten, sondern Reformen, die auch den Beschäftigten einen größeren Anteil an der `Flexibilitätsrendite´ bringen“, sagt Dr. Yvonne Lott, Arbeitszeitexpertin der Hans-Böckler-Stiftung. Anforderungen der Arbeit und private Verpflichtungen und Bedürfnisse verlässlich unter einen Hut bringen zu können, sei unerlässlich für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. „Arbeitgeber wollen gute Mitarbeiter gewinnen und im Unternehmen halten. Das gelingt nur, wenn sie auch auf deren Bedürfnisse eingehen – und zum Beispiel Möglichkeiten für zeitweilige Anpassungen der Arbeitszeit bieten und für ausreichend Personal sorgen, damit Vertretungen wirklich klappen. Es liegt also auch im Interesse der Unternehmen, die Arbeit so zu organisieren, dass Mitarbeiter nicht überfordert werden“, so Lott. Dabei weist die Forscherin auf ein bislang ungelöstes Problem hin: Flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit helfen dabei, Berufstätigkeit und Familie besser zu vereinbaren. Doch sie können zum Problem für die Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt werden, wenn sie nur von bestimmten Beschäftigtengruppen genutzt werden und gleichzeitig negative Konsequenzen für das berufliche Fortkommen haben. Erst wenn flexible Arbeitszeiten unabhängig von Geschlecht, Qualifikation oder Hierarchiestufe zur Normalität würden, ließen sich Nebenwirkungen wie die Verstärkung sozialer Ungleichheiten abstellen. Deshalb sei es ein kluger Ansatz, Möglichkeiten zur Arbeitszeitanpassung tariflich zu regeln.
Personalchefin Martina Niemann rief die Betroffenen in einer internen Mitteilung auf, sich arbeitslos zu melden, um Arbeitslosengeld zu erhalten. Zudem verwies sie auf ausgeschriebene Stellen bei Easyjet und Condor sowie eine weitere Jobmesse an diesem Freitag in der Air-Berlin-Zentrale mit Unternehmen wie Daimler, Rolls-Royce und DER Touristik.
Noch keinen Sozialplan gibt es für etwa 3500 Flugbegleiter. Für sie laufen noch Gespräche, sie werden an diesem Freitag fortgesetzt. Nach Niemanns Angaben sind rund 300 Boden-Beschäftigte in die Transfergesellschaft gewechselt, in der sie sechs Monate Zeit haben, sich neu zu orientieren. (dpa)
Deutsche Ryanair-Piloten haben nun mit Unterstützung der Vereinigung Cockpit (VC) eine Tarifkommission gegründet, die Verhandlungen mit Ryanair über Einzelheiten eines Tarifvertrags aufnehmen möchte. Es liegt auf der Hand, dass die derzeitigen Vereinbarungen, die auf den Basen in Deutschland gelten, nicht dieselbe Rechtsstellung haben wie ein gemeinsames Arbeitsabkommen, und dass Ryanair nationale Gewerkschaftsverträge verhandeln muss, um die Einhaltung sowohl europäischer als auch nationaler Regelungen in Deutschland sicherzustellen.
„Ryanair hatte immer eine hohe Fluktuationsrate – wie aus ihren Jahresberichten ersichtlich ist –, aber wir sehen derzeit eine demografische Veränderung bei den Ryanair Piloten“, so Jim Phillips, Vorstand für Internationales in der VC. „Viele betrachten Ryanair inzwischen als eine Karriere und nicht als einen Zwischentopp, um ein paar Flugstunden zu sammeln. Die Piloten wollen Familien haben, Häuser kaufen und sie möchten dort leben, wo sie stationiert sind. Familienleben braucht die Stabilität der nationalen Tarifverträge.“
Phillips stellt außerdem klar: „Die deutsche Tarifkommission besteht aus Piloten von Ryanair und einem professionellen Verhandlungsführer. Alle Behauptungen, es handele sich um Marionetten der Wettbewerber oder ähnliche kreative Kommentare sind schlicht falsch.“
Da jede Fluggesellschaft einzigartig ist, können nur die Ryanair Piloten ihre Bedürfnisse und Ziele bestimmen. Die Aufgabe der VC besteht darin, diese Piloten zu unterstützen. Man muss die VC als ein Mittel betrachten, um den gewünschten nationalen Vertrag zu erreichen, aber die Initiative muss von innerhalb des Unternehmens kommen, und das ist heute der Fall.
Gedanken, den seit 2013 bestehenden Tarifkonflikt in Deutschland mit dem Branchen-Primus aus den USA aufzugeben, hegt der Gewerkschaftsvertreter nicht: «Dazu sehe ich keinen Anlass. Denn unser Organisationsgrad steigt.» Mittlerweile seien 35 Prozent der Beschäftigten in den deutschen Versandzentren Mitglied in der Gewerkschaft Verdi. Vor einem Jahr seien es noch 30 Prozent gewesen.
«Wir sind aber darauf bedacht, einen noch stärkeren Rückhalt zu bekommen, um Amazon an den Verhandlungstisch zu bewegen», sagte Voß, der in der Berliner Verdi-Zentrale für den Versand- und Onlinehandel zuständig ist.
Seit rund viereinhalb Jahren liefert sich die Gewerkschaft einen Tarifstreit mit Amazon. Mitte Mai 2013 begannen die Streiks am größten deutschen Standort in Bad Hersfeld (Hessen) sowie in Leipzig (Sachsen).
Verdi strebt einen Tarifvertrag an. Der US-Konzern, der bundesweit mehr als 12 000 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt und über elf Versandzentren in Deutschland verfügt, verweigert aber Verhandlungen.
«Amazon ist ein guter Arbeitgeber. Der Verdienst liegt am oberen Ende dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten üblich ist», sagte ein Amazon-Sprecher in München.
Auf das Weihnachtsgeschäft, die wichtigste und umsatzstärkste Zeit des Jahres, hat sich Amazon seit Monaten vorbereitet. «Ware für die diesjährigen Geschenke-Trends ist bereits eingelagert. Wir haben in Deutschland 13 000 Saisonkräfte für die Unterstützung im Weihnachtsgeschäft gesucht. In diesen Tagen beginnen vielerorts die letzten der Saisonmitarbeiter ihre Arbeit», sagte der Sprecher. Da ohnehin für gewöhnlich der größte Teil der Mitarbeiter trotz der Streikaufrufe normal arbeiten werde, erwartet Amazon «keine Auswirkungen» auf pünktliche Lieferungen.
Amazon verweist stets auf sein europäisches Logistiknetzwerk. Auch aus anderen der 31 Versandzentren könne in Streikfällen Ware geliefert werden. Um in den Nachbarländern den Druck auf Amazon zu erhöhen, arbeitet Verdi an einer Vernetzung mit anderen Gewerkschaften in Europa. «In Polen geht es gut voran», sagte Voß. Kontakte gebe es auch nach Frankreich, Italien und Spanien.
Branchen-Experten zweifeln allerdings am Erfolg der Gewerkschaftstaktik: «Mit den Streiks bei Amazon hat Verdi rein gar nichts erreicht», sagt Gerrit Heinemann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein. Er ist sich sicher: Die Gewerkschaft beiße sich am Handelsriesen die Zähne aus. (dpa)
Durch die geplante Zusammenlegung des in Erlangen und Offenbach angesiedelten Geschäfts rund um Planung und Bau von Kraftwerken dürfte auch der Standort Offenbach mit etwa 700 Beschäftigten vor dem Aus stehen. Für ein Werk in Erfurt prüft Siemens zudem mehrere Optionen, darunter auch einen Verkauf.
Die Maßnahmen sollten möglichst sozialverträglich umgesetzt werden, hieß es. «Die Energieerzeugungsbranche befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie da gewesen ist», erklärte Siemens-Vorstand Lisa Davis. Der Ausbau der erneuerbaren Energien setze andere Formen der Energieerzeugung zunehmend unter Druck. «Die jetzigen Maßnahmen knüpfen an unsere Anstrengungen an, die wir bereits vor drei Jahren gestartet haben, um unser Geschäft an die sich verändernden Marktbedingungen anzupassen.»
Die IG Metall reagierte empört auf die Pläne. Gewerkschaftsvorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner lehnte sie als «breit angelegten Angriff auf die Arbeitnehmerseite» ab und kündigte harten Widerstand an: «Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung ist angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel. Er kommt aus Sicht der IG Metall nicht einmal als ernsthafte Diskussionsgrundlage in Betracht.» Die Probleme der betroffenen Bereiche seien seit Jahren abzusehen gewesen. Siemens habe Stellen abgebaut, aber die strukturellen Probleme ignoriert.
Schon seit längerem wird Siemens in der Kraftwerkssparte mit weltweit rund 46 800 Beschäftigten vor allem seine großen Gasturbinen in Deutschland und Europa nicht mehr los. Das sorgt für Preisverfall und Überkapazitäten. Das Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe mit zuletzt 44 800 Mitarbeitern weltweit bietet etwa Getriebe, Motoren, Antriebe und Kupplungen für die Öl-, Gas- und Bergbauindustrie an. Es ist damit auch stark von den Rohstoffpreisen abhängig. In beiden Sparten hatte Konzernchef Joe Kaeser bereits Jobs gekappt.
Schon vor der Bekanntgabe der Kürzungspläne hatte die Siemens-Führung auch betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die IG Metall sieht darin einen Bruch der bei Siemens geltenden Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Sie hatte deshalb massiven Widerstand gegen die Pläne angekündigt.
Ein besonders krasses Beispiel dafür, wie Fahrermangel unmittelbar zur Laderaumverknappung führt, mussten von der Bahnstreckensperrung bei Rastatt betroffene Unternehmen erleben, die über Wochen hinweg für ihre Ladung keine freien Lkw-Kapazitäten finden konnten.
Besserung ist nicht in Sicht: Zwar erwarben im Kalenderjahr 2016 insgesamt 16.211 Berufskraftfahrer-Azubis und Prüfungsteilnehmer/-innen nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz den Lkw-Führerschein - so viele, wie nie zuvor. Da aber etwa 30.000 Lkw-Fahrer pro Jahr in den verdienten Ruhestand treten, ist angesichts des boomenden Onlinehandels weder kurz- noch mittelfristig Entspannung zu erwarten. Beim Fahrermangel auf Entlastung durch das automatisierte Fahren zu hoffen, ist nach Ansicht des BGL keine Option. BGL-Präsident Adalbert Wandt: »Auch im Flugzeug hat der Autopilot den Piloten nicht überflüssig gemacht.«
Ganz im Gegenteil ist Lkw-Fahrer auch vor dem Hintergrund wachsender Transportmengen langfristig eine zukunftssichere Berufswahl. BGL-Präsident Adalbert Wandt: »Auch Lkw, die in mittlerer und ferner Zukunft am automatisierten Fahren teilnehmen brauchen einen Fahrer. Denn der Fahrer fährt ja nicht nur, er ist Begleiter der ihm anvertrauten Güter, er ist verantwortlich für die Übergabe an den Empfänger, für Transport- und Ladungssicherung und greift bei unvorhersehbaren Ereignissen ein. Zudem ist der Fahrer vielfach die Visitenkarte des Unternehmens gegenüber den Kunden. Auch wenn er beim automatisierten Fahren irgendwann in ferner Zukunft während der Fahrt andere Tätigkeiten übernehmen können sollte - der Arbeitsplatz hinter dem Steuer ist und bleibt zwingend zu besetzen.«
Stefan Wolf, Chef von Südwestmetall Verhandlungsführer für die Arbeitgeberseite, hält den Wunsch der Gewerkschaft allerdings für indiskutabel. «Wir sehen in der Forderung einen totalen Systemwandel», sagte Wolf der Deutschen Presse-Agentur. «Warum sollen Arbeitgeber plötzlich mehr Stunden bezahlen als die, die geleistet werden vom Arbeitnehmer?»
Nach Vorstellungen der Gewerkschaft sollen die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten von den guten Geschäften der Branche profitieren und sechs Prozent mehr Geld bekommen. Zudem sollen sie, und das dürfte der Knackpunkt werden, ihre Arbeitszeit vorübergehend von 35 auf bis zu 28 Stunden pro Woche absenken können - wobei bestimmte Gruppen dafür einen finanziellen Ausgleich von ihrem Arbeitgeber erhalten sollen, zum Beispiel wenn sie Schicht arbeiten, Kinder erziehen oder Angehörige pflegen.
Die Menschen wünschten sich mehr Flexibilität und Selbstbestimmung, doch viele könnten es sich nicht leisten, kürzer zu arbeiten, argumentiert die IG Metall. «Deshalb brauchen wir für Menschen in besonderen Situationen einen teilweisen Ausgleich des fehlenden Verdiensts», sagte Südwest-Landeschef Roman Zitzelsberger und stellte klar: Mehr Geld und der Anspruch auf kürzere Arbeitszeit werden nur im Paket verhandelt.
Die Arbeitgeber lehnen die Forderung ab - sie halten sie einerseits für praktisch nicht umsetzbar, es geht ihnen aber auch ums Prinzip: «Wir haben bislang das Prinzip, und das halte ich auch für richtig, dass ein Entgelt bezahlt wird für geleistete Arbeit», sagte Wolf. «Wenn jemand 28 Stunden arbeitet, dann soll er auch 28 Stunden vergütet bekommen.» Warum das künftig anders sein solle, verstehe er nicht.
Wer seine Arbeitszeit verkürzen wolle, der könne das in vielen Fällen auch jetzt schon. «Der IG Metall geht es nur darum, diesen Ausgleich zu bekommen. Und das ist ein Systemwechsel, den wir nicht akzeptieren werden», sagte Wolf. In der gesetzlich geregelten Teilzeit gibt es weder einen finanziellen Ausgleich noch ein generelles Rückkehrrecht.
Über mehr Flexibilität könne man durchaus reden, sagte Wolf. Aber: «Der Einstieg ist zunächst mal die Öffnung nach oben.» Soll heißen: Die Unternehmen müssten unbegrenzt die Möglichkeit bekommen, mit ihren Mitarbeitern eine Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden zu vereinbaren. «Und wenn wir da was haben, dann können wir auch darüber reden, dass Menschen, wenn sie es wollen, in bestimmten Situationen reduzieren können auf 28 Stunden - aber ohne Lohnausgleich», sagte Wolf. (dpa)