Solarworld-Gründer Asbeck will deutsche Werke übernehmen

Der Solar-Pionier macht einen letzten Versuch, sein Lebenswerk zu retten: Vermutlich mit Hilfe aus Katar will er die beiden deutschen Werke von Solarworld aus der Insolvenz kaufen. Wenn die Gläubiger zustimmen, wären damit knapp 500 Jobs gerettet. Der Gründer des insolventen Solarkonzerns Solarworld, Frank Asbeck, will über eine neue Firma die zwei deutschen Werke des Konzerns mit verbleibenden 475 Arbeitsplätzen übernehmen. Wie das Unternehmen heute (08.08.) mitteilte, hat Insolvenzverwalter Horst Piepenburg einen Kaufvertrag mit der Ende Juli von Asbeck gegründeten Solarworld Industries GmbH geschlossen. Diese solle «wesentliche Teile der Solarzellen- und Modulproduktion» weiterführen und sich auch um den Vertrieb kümmern, hieß es.
Solarworld-Gründer Asbeck will deutsche Werke übernehmen

Für 1200 Beschäftigte in den beiden Werken im sächsischen Freiberg und im thüringischen Arnstadt, die nicht mehr benötigt werden, seien Transfergesellschaften bis Mitte Februar 2018 geplant - 500 in Arnstadt und 700 in Freiberg. Der Einigung müssen die Gläubiger noch zustimmen. Dazu hat Piepenburg für diesen Freitag (11.8.) eine außerordentliche Gläubigerversammlung in Bonn beantragt.
Das Geld für das Geschäft soll nach unbestätigten Berichten aus Katar kommen. Das Unternehmen Qatar Solar aus dem Emirat am Golf ist an Solarworld mit 29 Prozent beteiligt. Wenn die Gläubiger zustimmen, will Solarworld Industries in der neuen Struktur am 16. August starten. Zur Kaufsumme machten Piepenburg und Solarworld keine Angaben.
In der Solarworld-Zentrale in Bonn wurden bereits 150 Mitarbeiter unwiderruflich freigestellt. Dort bleibt vorerst nur eine Abwicklungsmannschaft von etwa 65 Beschäftigten. «Angesichts der komplexen Bedingungen der Solarindustrie ist das für die Gläubiger wirtschaftlich vernünftig und für die Standorte und Mitarbeiter die verantwortungsvollste Lösung», sagte Piepenburg der Deutschen Presse-Agentur.
Es habe mehrere andere seriöse Interessenten aus aller Welt gegeben, aber alle hätten noch mehrere Monate für die Prüfung des Kaufs benötigt, sagte ein Sprecher Piepenburgs. So viel Zeit habe das Unternehmen aber nicht, da für die Gehälter kein Geld mehr da sei.
Mitte Mai hatte Solarworld mit weltweit rund 3000 Beschäftigten nach sechs Verlustjahren in Folge Insolvenz anmelden müssen. Solarworld sieht sich als Opfer des weltweiten Preissturzes bei Solarmodulen durch Dumping-Angebote vor allem chinesischer Hersteller. Kritiker werfen Asbeck aber auch eigene Fehler und eine zu späte Reaktion auf die Marktveränderungen vor. 2013/14 war der Konzern schon einmal der Pleite nur knapp mit einem tiefen Schuldenschnitt entkommen. In Deutschland wurden zuletzt knapp 1900 Mitarbeiter beschäftigt.
Dem neuen Eigentümer würden fast alle Anlagen, Vorräte und ausstehende Forderungen übertragen, erklärte der Konzern. Dazu kämen Anteile an den Auslandsgesellschaften des Solarkonzerns mit Ausnahme der US-Gesellschaft. Ein Großteil des Kaufpreises bestehe in der Ablösung der Schulden von Solarworld. Aktionäre der bisherigen Solarworld AG hätten keine Aussicht, an den Verkaufserlösen oder am restlichen Vermögen beteiligt zu werden.
Falls der Verkauf der Werke gelinge, könne die neue Gesellschaft ohne die Schuldenlast des Konzerns deutlich entlastet starten, sagte ein Branchenfachmann. Außerdem falle das existenzgefährdende Risiko einer US-Schadenersatzklage von rund 700 Millionen Euro eines früheren Silizium-Lieferanten gegen Solarworld weg. «Mit dem Neustart hätte der Rest von Solarworld wieder eine Chance, auch wenn die Dumpingpreise am Markt natürlich bleiben», sagte ein Marktinsider.

Ostdeutsche arbeiten länger, verdienen trotzdem weniger

Ostdeutsche verdienen im Schnitt weniger als Westdeutsche, obwohl sie nach einer neuen Statistik länger arbeiten. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann sagte der Deutschen Presse-Agentur, in den neuen Ländern (ohne Berlin) leisteten Arbeitnehmer im vergangenen Jahr durchschnittlich 74 Arbeitsstunden mehr, bekamen dafür aber 18,7 Prozent oder 6392 Euro weniger.
Ostdeutsche arbeiten länger, verdienen trotzdem weniger

Zimmermann, die sich auf Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder berief, erläuterte weiter: Kamen im Osten (ohne Berlin) im vergangenen Jahr durchschnittlich 1360 Arbeitsstunden auf einen Arbeitnehmer, waren es in den alten Ländern (ohne Berlin) 1286. Dabei betrug der Bruttolohn im Osten je Arbeitnehmer im Schnitt 27 784 Euro, im Westen 34 176 Euro. Der Durchschnittslohn in ganz Deutschland lag bei 33 284 Euro.

Nach der Statistik, die der dpa vorlag, bekamen Arbeitnehmer in Mecklenburg-Vorpommern mit im Schnitt 26 692 Euro am wenigsten. In Hamburg gab es den mit Abstand höchsten durchschnittlichen Lohn mit 39 678 Euro, gefolgt von Hessen (36 896 Euro), Baden-Württemberg (35 876 Euro) und Bayern (35 284 Euro). Brandenburg, das mit 28 118 Euro an der Spitze der Ostländer lag, rangierte noch hinter Niedersachsen, das mit 29 422 Euro Schlusslicht der Westländer war.

Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, erklärte: «Die Spaltung am Arbeitsmarkt hält auch über ein Vierteljahrhundert nach der Wende an. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost und West kann nicht gesprochen werden.» Im Osten werde - häufig bei gleicher Tätigkeit - durchschnittlich deutlich weniger verdient.

Die Bundesregierungen in unterschiedlichen Konstellationen hätten es jahrzehntelang versäumt, gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. Die jetzige Regierung habe sich offensichtlich mit einem Sonderarbeitsmarkt Ost abgefunden, kritisierte Zimmermann.

Ein wesentlicher Schlüssel für die weitere Angleichung sei die Stärkung von Tarifverträgen und Tarifbindung, die im Osten deutlich schwächer sei als im Westen, argumentierte die Linken-Politikerin ähnlich wie die Gewerkschaften. Sie forderte die Bundesregierung auf, sich für eine höhere Tarifbindung einzusetzen, insbesondere durch verbesserte Regelungen zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen.

Deutschlandweit müsse Niedrigstlöhnen und prekärer Beschäftigung der Kampf angesagt werden. Zimmermann forderte dazu unter anderem eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro die Stunde sowie die Abschaffung systematischer Niedriglohnbeschäftigung in Form der Leiharbeit.

Doch Arbeitsmarktsituation und Löhne sind auch ein Spiegel der Unternehmensstrukturen der einzelnen Regionen. Keines der 30 deutschen Dax-Unternehmen ist im Osten angesiedelt. Die meisten gut zahlenden und hoch spezialisierten und innovativen Mittelständler sind im Westen angesiedelt. Der Osten versucht hier zwar aufzuholen, aber dies dürfte angesichts des Rückstandes dauern.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW/Köln) hatte Ende Juli eine neue Auflage seines Innovationsatlasses veröffentlich. Daraus geht hervor, dass die südlichen Flächenländer bei Forschung und Entwicklung (FuE) nach wie vor einen erheblichen Vorsprung haben. Und zwischen FuE, Erfolgen mit neuen Patenten und MINT-intensiven Beschäftigungsstrukturen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) bestehe ein Wirkungszusammenhang.

Condor verlangt Sparbeiträge von Mitarbeitern

Der Ferienflieger Condor hat von seinen rund 4000 Mitarbeitern deutliche Sparbeiträge verlangt, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Sie sollten auf Überstundenzuschläge und Urlaubstage verzichten sowie länger arbeiten, bestätigte die Flugbegleitergewerkschaft Ufo gestern (4.08.2017) einen Vorabbericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel». Für diesen Fall habe Condor ein Gehaltsplus von 2 Prozent über die beiden kommenden Jahre angeboten.
Condor verlangt Sparbeiträge von Mitarbeitern

Ein Condor-Sprecher blieb unkonkreter: Es lägen verschiedene Vorschläge und Überlegungen beider Seiten auf dem Tisch. Zu einzelnen Punkten wolle man sich nicht äußern. Dem Bericht zufolge würden die Personalkosten mit Hilfe der Maßnahmen um sieben Prozent sinken.

Die Fluggesellschaft des Touristikkonzerns Thomas Cook hat im vergangenen Jahr erstmals seit Jahren einen Verlust ausgewiesen. Sie steht unter starkem Konkurrenzdruck der Billigflieger wie auch der stark expandierenden Lufthansa-Tochter Eurowings. Im laufenden Geschäftsjahr 2016/2017 (30.09.) rechnet der Mutterkonzern dank des Sparprogramms «Fasttrack» bei Condor wieder mit schwarzen Zahlen.

Langfristig dürfte das aber nicht ausreichen, meint Ufo-Tarifvorstand Nicoley Baublies. Seine Organisation lehne die «plumpen Forderungen nach Sparbeiträgen» ab, wenn alles so weiterlaufe wie bislang. Die Belegschaft sei möglicherweise zu Einschnitten bereit, wenn für Condor ein tragfähiges und umfassendes Sanierungsprogramm vorgelegt werde. Die Gespräche sollen am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden.

Kosten für Stellenabbau

Der Abbau Tausender Stellen und Kosten für die Anwerbung neuer Kunden haben ein tiefes Loch in die Quartalsbilanz der Commerzbank gerissen. Weit mehr als eine halbe Milliarde Euro betrug der Verlust im zweiten Quartal. Das Minus fiel noch größer aus als erwartet. Dennoch ist die Bankführung überzeugt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Die Commerzbank sei «einen weiteren wichtigen Schritt bei der Umsetzung unserer Strategie vorangekommen», erklärte Vorstandschef Martin Zielke am 2. August in Frankfurt.
Kosten für Stellenabbau

Die Commerzbank will durch den Abbau von 9600 Vollzeitstellen bis 2020 die Kosten langfristig senken. 2300 neue Jobs werden parallel aufgebaut, etwa um die Digitalisierung der Bank voranzutreiben. Ende Juni gab es noch 41 500 Vollzeitstellen im Haus. Bis zum Jahr 2020 plant das Institut mit einem Stammpersonal von rund 36 000 Vollzeitstellen. Am Filialnetz will die Commerzbank anders als etwa der Konkurrent Deutsche Bank nicht rütteln.

Wie das zweite Quartal lief, hatte das Geldhaus bereits angedeutet, als es jüngst die Rechnung für den Stellenabbau präsentierte: 807 Millionen Euro stellte die Commerzbank im zweiten Quartal für Abfindungen und andere Kosten zurück. Das sorgte für einen Verlust von unterm Strich 637 Millionen Euro - nach einem Gewinn von 215 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr rechnet die Bank aber weiter mit einem leicht positiven Ergebnis.

Der Umbau soll das Geldhaus, das in der Finanzkrise vom Staat gestützt werden musste, zukunftssicher machen. Die Commerzbank leidet wie viele andere Banken unter den niedrigen Zinsen, die die Einnahmen schmälern. Hinzu kommen hausgemachte Probleme wie faule Schiffskredite angesichts der Krise der Container-Reedereien.

Die Zahl der Kunden soll bis 2020 um zwei Millionen steigen - allein 385 000 kamen im ersten Halbjahr hinzu. Dabei half auch die Übernahme des Finanzportals Onvista durch die Commerzbank-Onlinetochter Comdirect. Jeder neue Kunde kostet allerdings zunächst 150 bis 250 Euro. «Das ist eine Investition in die Zukunft», sagte Finanzchef Stephan Engels. Es dauere im Schnitt anderthalb Jahre bis ein Kunde profitabel werde.

Doch nicht nur der Stellenabbau und die Anwerbung der Neukunden belasteten die Bilanz. Im Firmenkundengeschäft litten die Frankfurter wie die Konkurrenz unter dem mauen Handel an den Finanzmärkten, wodurch den Banken Gebühren entgehen. Die Erträge - die gesamten Einnahmen - gingen konzernweit von 2,24 Milliarden auf 2,07 Milliarden Euro zurück. Der operative Gewinn sank von 351 Millionen auf 183 Millionen Euro. Analysten hatten zwar mit einem Abrutschen gerechnet - allerdings nicht in dieser Größenordnung.

Finanziell Luft hat sich die Commerzbank bei den Schiffskrediten verschafft: Im ersten Halbjahr schrumpfte das Portfolio um 0,9 Milliarden auf 3,9 Milliarden Euro. Bis zum Ende des Jahres soll es weiter zurückgehen auf rund 3 Milliarden Euro. Entsprechend geht die Bank auch von einer geringeren Risikovorsorge aus.

Die Commerzbank hatte einst in großem Stil Kredite für neue Frachtschiffe gewährt. Überkapazitäten und fallende Frachtraten hatten jedoch viele Reedereien in Schieflage gebracht. Knapp 2,5 Milliarden Euro des Schiffskreditportfolios des Instituts gelten als ausfallgefährdet. Bis 2020 will das Geldhaus ganz aus dem Geschäft aussteigen.

Anders als viele Konkurrenten hat die Commerzbank trotz des nahenden Brexit derzeit keine Pläne, Jobs oder Firmenteile von London nach Frankfurt zu verlagern. «Im Moment nicht», sagte Finanzchef Engels. Allerdings hat das Institut in den vergangenen Jahren bereits etliche Mitarbeiter von dort in die Zentrale nach Frankfurt geholt. Momentan sind noch etwa 1000 Commerzbanker in der britischen Metropole tätig.

Verbesserte Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche

Drei Jahre nach Einführung des Mindestlohns in der Fleischwirtschaft arbeiten Beschäftigte dort laut Arbeitnehmervertretern unter besseren Bedingungen. «Die Situation in der Branche hat sich dadurch maßgeblich verbessert», erläuterte der stellvertretende Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Claus-Harald Güster, am Mittwoch (02.08.2017) in Hannover. Doch es gebe noch enormen Handlungsbedarf.
Verbesserte Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche

Ein großes Thema für Gewerkschaften und Arbeitgeber ist die Art der Beschäftigung in den Fleischunternehmen. Die Firmen sollen nach dem Willen der Gewerkschaft weitgehend auf die Beschäftigung von Werkvertragsarbeitern verzichten und auf Festanstellungen setzen.

Der Verband der Ernährungswirtschaft (VdEW) legte eine Erhebung zu den Beschäftigungsverhältnissen in den Betrieben vor, die sich selbst zu besseren Arbeitsbedingungen verpflichtet hatten. Darunter sind auch Branchengrößen wie die PHW-Gruppe, Tönnies und Westfleisch. Demnach ist die Anzahl der eigenen Angestellten in diesen Betrieben von 2015 auf 2016 um 39 Prozent auf mehr als 20 000 gestiegen. Dagegen gab es bei den Werkverträgen lediglich einen Zuwachs von neun Prozent auf rund 16 000 Beschäftigte. Die Zahl der Leiharbeiter kletterte dafür kräftig um 58 Prozent auf knapp 4000.
Der Mindestlohn für die Fleischwirtschaft liegt derzeit bei 8,75 pro Stunde. Der entsprechende Tarifvertrag endet mit Ablauf dieses Jahres.

Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Die Blaupause steht, spätestens bis zum Jahresende sollen erste Projekte anlaufen: Nach nicht einmal einem halben Jahr im Amt demonstriert der neue Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit Entschlossenheit im Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Detlef Scheele macht sich ein Problem zur Chefsache, das seit Jahren bleischwer auf den Schultern des BA-Vorstands lastet.
Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit

Er will in kleinem Maßstab demonstrieren, dass mit der notwendigen Entschiedenheit und ausreichend Geld beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit weitaus mehr möglich ist als es bisher den Anschein hatte.
Das Gesamtprogramm habe er erst in der vergangenen Woche bei einem Treffen mit den Chefs der BA-Regionaldirektionen in Offenbach vereinbart, berichtet der Nachfolger von Frank-Jürgen Weise der Deutschen Presse-Agentur. «Dafür haben wir jetzt Regionen ausgewählt. Wir haben die Chefs der Regionaldirektionen gebeten, besonders „belastete“ Regionen zu nennen. Das ist erfolgt, wir wären also startklar.» Für exakte Daten und Teilnehmerzahlen sei es aber zu früh, macht eine Bundesagentur-Sprecherin klar.
Zentral ist für den Bundesagentur-Chef die Prävention: Scheele will Jugendliche mit einer Datenbank auf dem Weg von der Schule bis ins Berufsleben lückenlos begleiten. Keiner dürfe in diesem Lebensabschnitt verloren gehen, macht er immer wieder klar. Zu viele Jugendliche landeten derzeit noch als Un- oder Angelernte perspektivlos in der Arbeitslosenstatistik.
Zudem strebt Scheele eine engere Kooperation der Jobcenter etwa mit den kommunalen Jugendämtern an. In manchen Fällen müssten erst Lösungen für familiäre Probleme gefunden werden, bevor man an eine Job-Vermittlung denke könne. Helfen könnten eine Schuldnerberatung, eine Therapie oder einfach nur die Vermittlung eines Krippenplatzes. Das erfordere in den Jobcentern und Arbeitsagenturen aber ein grundlegendes Umdenken.
Testweise sollen Langzeitarbeitslose in einigen Regionen außerdem intensiver betreut werden. Betroffene müssten häufiger damit rechnen, zu Gesprächen eingeladen zu werden. Dabei sollen eingehend Talente analysiert und spezifische Fördermaßnahmen angeboten werden.
Sollte auch das nicht fruchten, plant Scheele einen sozialen Arbeitsmarkt: Für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose will die Bundesagentur öffentlich geförderte Jobs anbieten - vor allem dort, wo sich Bundesländer an der Finanzierung der Stellen beteiligen. Das sei aber nur für wenige Betroffene geplant, stellt Scheele klar.
Gleichwohl warnt er vor überzogenen Erwartungen an sein Paket: «Wir haben Mittel im SGB II (Grundsicherung), aber die reichen nicht für größere Sprünge. Wir können aber im kleinen Rahmen zeigen, was man tun könnte, wenn man mehr Geld hätte. Wir werden deshalb in einigen ausgewählten Regionen starten. Da werden die Bäume nicht in den Himmel wachsen», macht der BA-Chef deutlich.
Der Problemdruck ist jedenfalls groß - auch wenn die Zahl der Langzeitarbeitslosen binnen Jahresfrist um rund 90 000 gesunken ist. Mit gut 900 000 stellen die, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, immer noch einen großen Block in der Arbeitslosenstatistik - und trüben stets die Erfolgsmeldungen über eine sensationell niedrige Gesamtarbeitslosigkeit.
Der früher für die Arbeitsmarktpolitik zuständige BA-Vorstand Heinrich Alt brachte es unlängst auf den Punkt: «Der deutsche Sozialstaat bleibt noch immer unter seinen Möglichkeiten», formulierte er in einer Analyse. Derzeit seien zu viele Mitarbeiter in den Jobcentern mit dem Erstellen von Hartz-IV-Bescheiden beschäftigt, zu wenige mit der Jobvermittlung. Die angebotene Förderung sei nicht ausreichend «zielgenau», manche Jobcenter seien überfordert.

Juli-Arbeitslosigkeit trotz Sommerflaute auf Rekordtief

Trotz Sommerflaute verzeichnet die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein neues Rekordtief bei der Juli-Arbeitslosigkeit. Mit 2,518 Millionen sank die Erwerbslosigkeit auf den niedrigsten Juli-Wert seit der Wiedervereinigung, teilte die Bundesbehörde gestern (01.08.2017) in Nürnberg mit. Das sind saisonbedingt zwar 45 000 Arbeitslose mehr als im Juni, aber 143 000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte auf 5,6 Prozent.
Juli-Arbeitslosigkeit trotz Sommerflaute auf Rekordtief

«Die Nachrichten vom Arbeitsmarkt sind positiv: Die Zahl der arbeitslosen Menschen hat im Juli aus jahreszeitlichen Gründen zwar zugenommen, saisonbereinigt gab es aber einen Rückgang», kommentierte BA-Chef Detlef Scheele die Zahlen. Ohne jahreszeitliche Einflüsse wäre die Zahl der offiziell registrierten Jobsucher im Juli um 9000 gesunken.

In «ausgezeichneter Verfassung und sehr aufnahmefähig» sieht auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) den deutschen Arbeitsmarkt. «Allein bei der Bundesagentur für Arbeit sind 750 000 offene Stellen gemeldet, das sind 76 000 mehr als vor einem Jahr», erklärte Nahles am Dienstag in Berlin. Die hohe Zahl unbesetzter Stellen bei rund 2,5 Millionen Arbeitslosen zeige, worum es in den nächsten Jahren gehen müsse: um Qualifizierung.

Zählt man freilich jene Jobsucher hinzu, die derzeit Förderprogramme der Arbeitsagenturen und Jobcenter absolvieren, trübt sich das Bild etwas ein: Dann gab es in Deutschland zuletzt 3,508 Millionen Menschen ohne Arbeit. Fachleute sprechen bei dieser Rechenweise von der sogenannten Unterbeschäftigung.

Scheele zeigt sich dennoch optimistisch, was die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angeht: «Ich sehe dieses Jahr keine Trendwende am Arbeitsmarkt», betonte er und widersprach damit Einschätzungen von Bankenvolkswirten, die in den kommenden Monaten mit einer Abkühlung des Jobmarkts rechnen. Zur Begründung verwies Scheele auf die große Zahl an offenen Stellen und die weiter steigende Zahl der Beschäftigten.

Zuversichtlich stimmte Scheele auch der leichte Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit. Mit 899 000 habe die Zahl der Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, erstmals seit 1998 unter der Marke von 900 000 gelegen. «Das ist keine Trendwende, aber erfreulich, dass es in diesem Bereich langsam runtergeht», sagte der BA-Chef.

Weiterhin vor hohen Jobhürden stehen die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge. Viele stecken nach Scheeles Angaben derzeit noch in Sprachkursen und beruflichen Förderprogrammen; daher sei derzeit - vor allem wegen häufig unzureichender Deutschkenntnisse - noch nicht an Jobvermittlungen zu denken. Von den 492 000 als arbeitssuchend registrierten Flüchtlingen absolvierten im Juli knapp 280 000 noch Sprach-, Integrations- und berufliche Förderkurse.

BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker mahnte derweil bei der Arbeitsmarkt-Integration von Flüchtlingen zu Geduld. «Bis ein junger Flüchtling zur Arbeitskraft wird, vergehen fünf bis sechs Jahre». Trotzdem verzeichnete die Bundesagentur Fortschritte. So verfügten in diesem Jahr 8000 bis 9000 junge Flüchtlinge über so gute Deutschkenntnisse, dass sie sich für eine Berufsausbildung bewerben könnten. Vor einem Jahr seien es nur 3000 gewesen. Auch die Zahl der Flüchtlinge mit einem regulären Job steige.

Wie gut es insgesamt auf dem deutschen Arbeitsmarkt läuft, zeigt nach Bundesagentur-Einschätzung vor allem aber die Zahl der Erwerbstätigen. Diese lag laut Statistischem Bundesamt im Juni mit 44,38 Millionen um 670 000 höher als vor einem Jahr. Die Zahl der regulären Stellen mit Sozialversicherungspflicht lag nach BA-Hochrechnungen im Mai bei 32,14 Millionen; das sind 744 000 mehr als im April. Im Vergleich zum April stieg die Zahl dieser Arbeitsplätze saisonbereinigt um 75 000. Beide Beschäftigtenzahlen werden immer mit ein- bis zweimonatiger Verzögerung geliefert.

Unilever - Arbeitnehmer fürchten Einschnitte

Die Arbeitnehmer des Unilever-Konzerns sind heute (01.08.) in der Hamburger Deutschland-Zentrale und an anderen Standorten zu Betriebsversammlungen zusammen gekommen (14.00 Uhr). Dabei geht es um angekündigte Sparmaßnahmen des Konzerns und ihre Umsetzung in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH), wo Unilever rund 5000 Mitarbeiter an elf Standorten beschäftigt. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) befürchtet massive Verluste an Arbeitsplätzen und schlechtere Sozialbedingungen für die Beschäftigten. Bis zu 1000 Jobs könnten an neun deutschen Standorten auf der Kippe stehen, heißt es bei der NGG.
Unilever - Arbeitnehmer fürchten Einschnitte

Unilever hatte im Februar einen Übernahmeversuch des Konkurrenten Kraft Heinz abgewehrt und daraufhin ein Programm zu Verbesserung von Effizienz und Profitabilität aufgelegt. Unter anderem sollen die Kosten innerhalb von drei Jahren um sechs Milliarden Euro sinken und die operative Marge von 16,4 auf 20 Prozent steigen. Vom Margarine-Geschäft will sich Unilever trennen. «Die Werke in Auerbach (Sachsen), Stavenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) und Heilbronn stehen ganz auf dem Prüfstand», sagte der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Hermann Soggeberg. «Zudem drohen den Beschäftigten in der Produktion überall deutliche Verschlechterungen bei den Sozialleistungen.»

Ein Unternehmenssprecher sagte dagegen, das Unternehmen wolle gemeinsam mit den Arbeitnehmern die Produktions- und Logistikstrukturen in der DACH-Region überprüfen. Entscheidungen seien erst in einigen Monaten zu erwarten. Zu der Betriebsversammlung haben sich auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger und DGB-Chef Reiner Hoffmann angekündigt.

Arbeitskräftenachfrage steigt auf neues Rekordhoch

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist in Deutschland im Juli auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Die Zahl der offenen Stellen übertraf damit selbst die bisherige historische Höchstmarke von Juni, wie die Bundesagentur für Arbeit gestern, 31. Juli, mitteilte. Ihr Stellenindex BA-X - ein Indikator für die Beschäftigtennachfrage - ist seit 2014 nahezu kontinuierlich gestiegen. Mit 238 Punkten liegt der Indikator für Juli drei Punkte höher als im Juni und 21 Punkte höher als vor einem Jahr.
Arbeitskräftenachfrage steigt auf neues Rekordhoch

Inzwischen gebe es kaum noch eine Branche, die nicht nach geeigneten Mitarbeitern suche. Mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes und des Bereichs Erziehung und Unterricht sei die Arbeitskräftenachfrage in allen Branchen höher als vor einem Jahr, heißt es in einer Bundesagentur-Mitteilung. Am stärksten wuchs die Zahl der offenen Stellen zuletzt in der Industrie, im Handel, bei Unternehmensdienstleistern wie Steuerberatern, Rechtsanwälten und Werbeagenturen, sowie im Baugewerbe. Auch bei Zeitarbeitsunternehmen sei der Bedarf groß.
Als Grund nennt die Bundesagentur die stabile wirtschaftliche Lage. Das führe auch dazu, dass Mitarbeiter in der Hoffnung auf einen besser bezahlten Job häufiger die Firma wechselten - und die Unternehmen dann nicht gleich einen Nachfolger fänden. Solche Stellen können dann mitunter Monate in der Statistik bleiben.
In der Eurozone sorgt der robuste Aufschwung weiter für Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Im Juni ist die Arbeitslosenquote auf den tiefsten Stand seit mehr als acht Jahren gefallen. Nach Angaben des Statistikamts Eurostat vom Montag betrug die Arbeitslosenquote 9,1 Prozent. Das ist der geringste Wert seit Februar 2009. Volkswirte hatten mit einer Quote von 9,2 Prozent gerechnet. Insgesamt waren 14,718 Millionen Menschen ohne Arbeit und damit 148 000 weniger als im Mai.

Das anonyme Bewerbungsverfahren in Deutschland

Dass Menschen heutzutage häufig nach ihrem Aussehen, ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Geschlechts beurteilt werden, ist keine Seltenheit mehr. Dennoch kann dies sogar im Berufsleben zu schlechteren Jobchancen führen. So haben Personen mit einem türkischen Namen, laut einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit, eine 14-prozentig geringere Chance auf ein Bewerbungsgespräch. Abhilfe soll die anonyme Bewerbung schaffen. – Isabel Frankenberg
Das anonyme Bewerbungsverfahren in Deutschland
Bild: © Fotolia

Die anonyme Bewerbung wird seit 2010 in Deutschland angewandt. Damals führte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Pilotprojekt durch, bei dem die anonyme Bewerbung 12 Monate lang zum Beispiel genommen wurde. Bei großen Firmen, wie der Deutschen Post oder der Deutschen Telekom, liefen innerhalb dieser Zeit rund 8.500 anonyme Bewerbungen ein, von denen 246 Stellen erfolgreich belegt wurden. Das Pilotprojekt wurde entwickelt, um Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu gewährleisten und die Diskriminierung zu mindern.
Grundlegend zeichnet sich das anonyme Bewerbungsverfahren dadurch aus, dass die Einladung zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch lediglich auf Basis von den Qualifikationen des Arbeitnehmers erfolgt. Persönliche Daten werden bei diesem Verfahren nicht angegeben, daher entfallen folgende Punkte beim anonymen Bewerbungsverfahren:
• Name und Adresse
• Geschlecht und Bewerbungsfoto
• Geburtsdatum und Alter
• Familienstand und Herkunft
Stattdessen muss der Bewerber alle Angaben zu seinen Qualifikationen, also zu seinen Schul- und Ausbildungsabschlüssen, offenlegen. Erst nachdem eine Einladung zum persönlichen Vorstellungsgespräch erfolgt ist, werden dem Arbeitgeber auch alle weiteren Daten zum Bewerber vorgelegt.
Die Vorteile einer anonymen Bewerbung liegen also klar auf der Hand. Während sich der Arbeitgeber bei einem herkömmlichen Bewerbungsverfahren von persönlichen Angaben oder sogar dem Bewerbungsfoto beeinflussen lassen kann, erfolgt eine Anstellung bei diesem Verfahren nur aufgrund der Stärken eines Bewerbers. Jedoch bietet die anonyme Bewerbung ebenso auch Nachteile. Diese zeigen sich vor allem für junge Arbeitnehmer. Diese haben oft wenig praktische Erfahrungen und Qualifikationen als ältere Arbeitnehmer. Die anonyme Bewerbung würde die Chancen hierbei also eher mindern. Die Angabe von persönlichen Daten könnte in diesem Fall von Vorteil sein. Daher muss jeder Bewerber zuvor selbst entscheiden, welches Verfahren das geeignetste für ihn ist.

Weitere Informationen zum Thema „anonyme Bewerbung“ finden Sie hier. Zudem bietet das kostenlose Ratgeberportal www.hartz4hilfthartz4.de viele weitere Ratgeber, Informationen und eBooks zu Themen, wie Jobcenter, Kinderarmut oder Wohnung & Miete.

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