Maschinenbauer gegen Zwang zu Homeoffice

Der Maschinenbauverband VDMA lehnt einen gesetzlichen Zwang zur Arbeit im Homeoffice in der Pandemie ab. «Auch in Corona-Zeiten müssen unsere Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und die Produktion aufrechterhalten», argumentierte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann am 11. Januar.
Maschinenbauer gegen Zwang zu Homeoffice
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Die Maschinenbauer sorgten dafür, Beschäftigten mobiles Arbeiten zu ermöglichen, deren Arbeitsplätze nicht direkt an die Produktion gebunden seien. Ein gesetzlicher Homeoffice-Zwang mit Bußgeldern wäre aus seiner Sicht daher «absurd». Die Arbeitsorganisation jedes einzelnen Betriebes sei unterschiedlich und lasse sich nicht per Behördenverordnung von außen regeln.

Im verlängerten Lockdown hat die Debatte um die Verantwortung der Wirtschaft im Kampf gegen das Coronavirus Fahrt aufgenommen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte angesichts anhaltend hoher Infektionszahlen und des Auftretens einer Virusmutation gefordert, die Wirtschaft bei der Bekämpfung der Pandemie stärker in den Fokus zu nehmen. «Millionen Beschäftigte sind täglich von Infektionen bedroht, weil Schutzmaßnahmen in Unternehmen nicht ausreichen, ohne Not Präsenzpflicht eingefordert wird oder Risiken durch die Anfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mitgedacht werden», sagte Göring-Eckardt dem «Tagesspiegel» (Sonntag).

Nach Einschätzung von Oliver Stettes vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) wäre verpflichtendes Homeoffice «ein gravierender Eingriff in die betriebliche Disposition, für den die Grundlage fehlt». Zudem sei es nicht überall möglich oder gar sinnvoll, dauerhaft von zuhause aus zu arbeiten.

Der VDMA verwies auf eine Umfrage während der ersten Corona-Welle im Mai 2020. Damals gaben 71 Prozent der Maschinenbauer an, Homeoffice anzubieten, wo immer es möglich ist. 67,5 Prozent der VDMA-Mitglieder wollten auch nach der Corona-Pandemie Mitarbeitern zumindest teilweise mobiles Arbeiten ermöglichen.

(Text: dpa)

Auch Betriebe müssen Corona-Schutz erneut überprüfen

Die IG Metall fordert nach der jüngsten Verschärfung des Corona-Lockdowns eine erneute Überprüfung der Schutzmaßnahmen in der Arbeitswelt. «Die Betriebe sollten ihre bereits getroffenen Maßnahmen überprüfen und wo nötig nachschärfen», erklärte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban am 7. Januar in Frankfurt. Die Pandemie mache vor den Werkstoren und Büros nicht halt. Zuerst hatte die Tageszeitung «taz» berichtet.
 Auch Betriebe müssen Corona-Schutz erneut überprüfen
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Von der Politik verlangt die Gewerkschaft klarere Vorgaben zur Nutzung des Home-Office. Appelle allein genügten nicht, meinte Urban. Home-Office müsse überall eingesetzt werden, wo es möglich sei. Der Gewerkschafter verwies auf Umfrage-Ergebnisse der Böckler-Stiftung, nach denen der Anteil der zuhause tätigen Arbeitnehmer zuletzt wieder deutlich gesunken sei.

Grundsätzlich seien die Beschäftigten zufrieden mit den Schutzmaßnahmen in den Betrieben, sagte Urban. Dabei hätten die Betriebsräte eine Schlüsselrolle gespielt. Das habe auch die Beschäftigtenbefragung der IG Metall gezeigt. Es fänden aber weiterhin zu wenige Kontrollen statt, weil die Länder in der Vergangenheit keine ausreichenden Kapazitäten geschaffen hätten. Auch bei den Berufsgenossenschaften will sich die IG Metall für zusätzliche Beratungen und Kontrollen einsetzen.

Am Dienstagabend (5. Januar) hatten sich Bund und Länder auf einen verlängerten Lockdown bis zum 31. Januar sowie schärfere Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus geeinigt. Diese betreffen vor allem den privaten Bereich sowie Schulen und Kitas.

(Text: dpa)

Gewerkschaft NGG pocht erneut auf höheres Kurzarbeitergeld

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) pocht angesichts des verlängerten Lockdowns weiter auf eine schnelle und stärkere Unterstützung für betroffene Beschäftigte.
Gewerkschaft NGG pocht erneut auf höheres Kurzarbeitergeld
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«Wir fordern ein Mindestkurzarbeitergeld von 1200 Euro und eine Corona-Sofortnothilfe von einmalig 1000 Euro», sagte der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler den Zeitungen der «Funke Mediengruppe». «Die Löhne von Kellnern oder Köchinnen sind ohnehin niedrig – das Kurzarbeitergeld reicht da auf Dauer einfach nicht.»

Nach einem Bericht der «Lebensmittel-Zeitung» vom 5. Januar fordert neben der NGG auch die Gewerkschaft Verdi die Bundesregierung auf, das Kurzarbeitergeld in den von ihnen vertretenen Branchen auf mindestens 1200 Euro pro Monat aufzustocken. Beschäftigte mit einem Netto-Entgelt unter 2500 Euro sollen nach dem Willen der beiden Gewerkschaften 90 Prozent beziehungsweise 97 Prozent ihres letzten Netto-Entgeltes bekommen, mindestens aber 1200 Euro, schreibt das Blatt.

NGG-Chef Zeitler hatte zuvor auch im «Handelsblatt» eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für Beschäftigte des Gastgewerbes gefordert. «Ihre Löhne sind ohnehin oft viel zu niedrig», sagte er. «Das noch geringere Kurzarbeitergeld reicht also hinten und vorne nicht.»

(Text: dpa)

Fleischbetriebe stocken Stammbelegschaft auf

In der Fleischindustrie hat das seit Jahresanfang geltende Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen die Zahl der Festanstellungen in der Branche deutlich erhöht. Die großen Schlachtbetriebe in Deutschland haben ihre Stammbelegschaft stark aufgestockt. Bundesweit sind bei den nordrhein-westfälischen Unternehmen Tönnies (Rheda-Wiedenbrück) und Westfleisch (Münster) sowie bei Vion Deutschland im bayerischen Buchloe insgesamt rund 12 300 Werkarbeiter als Angestellte von Subunternehmen in die Unternehmensbelegschaften gewechselt, wie Firmensprecher mitteilten.
Fleischbetriebe stocken Stammbelegschaft auf
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Tönnies, Westfleisch und Vion hatten entsprechende Programme im Zuge der Corona-Pandemie bereits im Sommer angekündigt. Nach zahlreichen Infektionen in der Belegschaft war die Fleischbranche im Frühjahr unter Druck geraten. Besonders die hohe Zahl der Werkarbeiter aus Osteuropa, von denen manche in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht waren, hatte Kritik ausgelöst. Die Schlachthöfe wurden zum Teil für Wochen geschlossen, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Anfang des Jahres (2.1.) hatte die Zeitung «Neues Deutschland» über den Vollzug der Neueinstellungen berichtet.

Die Kritik an den Zuständen in der Fleischindustrie findet sich auch im aktuellen «Fleischatlas», den der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung am 6. Januar in Berlin vorstellte. «Die industrielle Fleischproduktion ist nicht nur für prekäre Arbeitsbedingungen verantwortlich, sondern vertreibt Menschen von ihrem Land, befeuert Waldrodungen, Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste – und ist einer der wesentlichen Treiber der Klimakrise», sagte Stiftungs-Vorstandsmitglied Barbara Unmüßig.

Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums lag der geschätzte Pro-Kopf-Verzehr 2019 zwar bei 59,5 Kilogramm pro Einwohner und damit um 2,5 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. «Im Jahr 2013 waren es noch etwa 66 Kilo pro Kopf», sagte Unmüßig. Eine echte Fleischwende aber sei nicht eingeleitet.

Die Bundesregierung untersagte nach Berichten rund um Infektionen in den Schlachthöfen zum 1. Januar 2021 per Gesetzesänderung den Einsatz von Werkarbeitern im Kerngeschäft der Schlachthöfe im Bereich der Schlachtung und Zerlegung. Ab 1. April gilt auch mit Einschränkungen ein Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern. Ausgenommen sind Handwerksbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigen.

Marktführer Tönnies kommt nach eigener Aussage mit den zusätzlich 6000 auf 12 500 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland. Am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück sind 3500 ehemalige Werkarbeiter jetzt in der Stammbelegschaft. Tönnies hat 2019 einen Umsatz mit Fleischprodukten von 7,3 Milliarden Euro erzielt.

Westfleisch mit Sitz in Münster hatte im Juni angekündigt, alle Mitarbeiter direkt einzustellen. Nach der Integration von etwa 3000 Werksarbeitern zum 1. Januar 2021 liegt die Zahl der Mitarbeiter bei rund 7000. Westfleisch hat 2019 knapp 2,8 Milliarden Euro umgesetzt.

Die niederländische Vion-Gruppe hat an 16 Standorten in Deutschland zum Jahreswechsel zur bisherigen Belegschaft von 3000 rund 3300 Mitarbeiter von Subunternehmern fest eingestellt. Vion setzte 2019 mit dem Schlachten von Schweinen und Rindern 5,1 Milliarden Euro um.

«Bei dem seit dem 1. Januar gültigen Gesetz haben wir nicht den Eindruck, dass es sich um Kosmetik handelt», sagte Johannes Specht von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). «Wenn die Branche das jetzt nicht verstanden hat, dass sich etwas ändern muss, dann ist denen nicht zu helfen. Und ändern heißt dann: faire Arbeit, mit Einhaltung der Gesetze und mit Tarifverträgen», sagt Specht. Das NRW-Arbeitsministerium verweist darauf, dass für die Kontrollen zum Verbot von Werkverträgen der Zoll als Bundesbehörde zuständig sei.

«Zum Thema flächendeckender Tarifvertrag, für den sich Herr Tönnies ja ausgesprochen hat: Wir sind offen für Verhandlungen», sagt der Leiter der NGG-Tarifabteilung. Bislang habe die Gewerkschaft aber weder von Tönnies noch von den Fleischverbänden eine Antwort bekommen. Tönnies verweist dagegen auf die Zuständigkeit des Verbandes. «Schon im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hat der Verband der Ernährungswirtschaft die NGG zu Gesprächen über Tarifverträge aufgefordert. Erst mit Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist die NGG dann im Dezember auf den Verband zugegangen», sagt ein Sprecher. Erste Sondierungsgespräche sollen bald aufgenommen werden.

Die Fleischindustrie verweist auf den Arbeitskräftebedarf in der Grillsaison im Sommer. Specht forderte auch hier Gespräche. «In anderen Wirtschaftsbranchen, die auch saisonale Schwankungen haben, gibt es sehr flexible Arbeitszeitmodelle. Schokohasen oder Bier werden auch nicht das ganze Jahr durch im gleichen Maße produziert», sagte Specht. Es liege in der Natur der Sache, dass es in dieser Zeit mehr Arbeit gebe. «Aber genau dafür gibt es dann Arbeitszeitkonten. Und das funktioniert auch», sagt der Gewerkschaftsvertreter.

«Ohne unser Gesetz hätte sich nix in der Fleischindustrie bewegt. Die gesamte Branche wäre gut beraten, das neue Gesetz schnell umzusetzen und sich der Realität zu stellen. So, wie sich die Fleischindustrie in den letzten Jahren verhalten hat, wäre Demut angesagt», sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast.

(Text: Carsten Linnhoff, dpa)

IG BAU fordert bessere Arbeitsbedingungen für Erntehelfer

Die IG BAU fordert bessere Arbeitsbedingungen für Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft. Nicht nur in Schlachthöfen, wo mehrere Corona-Ausbrüche für Aufsehen gesorgt hatten, gebe es Missstände, kritisierte die Gewerkschaft am 4. Januar in Frankfurt. «Auch ein großer Teil der rund 350 000 Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft arbeitet zu prekären Bedingungen», sagte der stellvertretende IG-BAU-Vorsitzende Harald Schaum.
IG BAU fordert bessere Arbeitsbedingungen für Erntehelfer
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Gerade osteuropäische Beschäftigte, die in der Spargel-, Erdbeer- oder Gurkenernte arbeiteten, litten teils unter unhaltbaren Zuständen. «Die Betroffenen müssen die Kosten für Anreise, Verpflegung und Unterkunft oft selbst bezahlen – bis hin zum Jobvermittler im Heimatland. In Deutschland erwartet sie meist nicht das versprochene große Geld, sondern 13-Stunden-Tage, karge Bezahlung und ein Zimmer, das sie mit mehreren Kollegen teilen müssen», so Schaum. Nach Informationen der Gewerkschaft erhielten die Saisonbeschäftigten zudem oft keinen Zugang zur Krankenversicherung. Die Probleme beträfen auch die Forstbranche und den Gartenbau.

Es sei richtig, dass die Bundesregierung zum Jahreswechsel strengere Regeln in der Fleischindustrie verabschiedet habe. So verbietet das Arbeitsschutzkontrollgesetz etwa den Einsatz von Subunternehmen mit osteuropäischen Billiglohn-Arbeitern. Nun müssten weitere Branchen folgen, forderte die IG BAU. Dabei müsse es vor allem um Standards bei Unterkünften und einen vollen Krankenversicherungsschutz gehen.

(Text: dpa)

Corona-Krise lässt Zahl der Erwerbstätigen sinken

Nach 14 Jahren Wachstum ist im Corona-Jahr 2020 die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland erstmals wieder zurückgegangen. 44,8 Millionen Menschen hatten im Jahresschnitt im Inland einen Arbeitsplatz oder waren selbstständig, wie das Statistische Bundesamt am 4. Januar in Wiesbaden mitteilte. Das waren 1,1 Prozent weniger als 2019 und auch 0,2 Prozent weniger als 2018. Die Zahl der Erwerbslosen kletterte deutlich um 34,5 Prozent auf 1,85 Millionen.
Corona-Krise lässt Zahl der Erwerbstätigen sinken
Bild: dpa

Der Statistik zufolge gingen insbesondere schlecht gesicherte Jobs verloren, während die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten häufig in Kurzarbeit geschickt wurden. Noch deutlicher als in den Vorjahren ging die Zahl der Selbstständigen und ihrer mithelfenden Angehörigen auf nun noch 4,0 Millionen zurück.

Bei den Dienstleistungen sank die Zahl der Beschäftigten besonders stark im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe um 2,0 Prozent sowie bei industrienahen Dienstleistern (-2,5 Prozent) einschließlich der Leiharbeit. Zusätzliche Jobs gab es hingegen im Öffentlichen Dienst, Erziehung und Gesundheit. In der Industrie sank die Zahl der Erwerbstätigen in der Krise um 2,3 Prozent auf rund 8,2 Millionen. Lichtblick war hier das Baugewerbe mit einem Anstieg um 0,7 Prozent.

In den 14 Jahren zuvor war die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich gestiegen, wobei Zuwanderung und eine stärkere Erwerbsbeteiligung der Inländer die demografischen Effekte einer alternden Gesellschaft mehr als ausgeglichen hatten. Zuwanderung war unter Corona-Bedingungen aber erschwert und das inländische Arbeitskräftepotenzial gilt als zunehmend ausgeschöpft.

(Text: dpa)

Arbeitgeberpräsident fordert steigende Lebensarbeitszeit

Deutschlands Arbeitgeber haben gefordert, dass bei weiter steigender durchschnittlicher Lebenserwartung in Deutschland auch die Arbeitsdauer im Leben eines Arbeitnehmer ansteigt. «In den kommenden Jahren wird die «Babyboomer»-Generation in Rente gehen und der Druck auf unsere sozialen Sicherungssysteme wird aufgrund dieses demografischen Wandels immer stärker werden», sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Arbeitgeberpräsident fordert steigende Lebensarbeitszeit
Bild: dpa

«Deshalb ist klar - und wir sollten uns alle bei diesem Thema auch einmal ehrlich machen: Wenn unsere Lebenserwartung immer weiter steigt, muss unsere Lebensarbeitszeit zwangsläufig auch steigen.»
Dulger sagte: «Es gibt keine Alternative, als dass die Kosten aus der Alterung der Gesellschaft auf die Generationen verteilt werden - denn nur so kann das langfristige Vertrauen in die gesetzliche Rente erhalten werden.»
Ähnlich argumentierte das Mitglied des Rats der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. Im «Handelsblatt» drängte sie auch zur Eile, um einen Vorlauf zu gewinnen: «Da müssen wir rasch handeln, weil es leichter zu akzeptieren ist, wenn die Menschen wissen: Diese Verlängerung setzt erst in ein paar Jahren ein.»
Von Ideen, die Herausforderungen in der Rente über Schulden zwischen zu finanzieren, halte er gar nichts. «Solche Ansätze sind Augenwischerei», sagte Dulger. «Deshalb brauchen wir auch eine strukturelle Erneuerung sowie eine Anpassung an den demografischen Wandel, damit die Sozialversicherungen langfristig ihre Aufgaben erfüllen können.» Lippenbekenntnisse würden nicht mehr reichen. Dulger forderte, das Ziel die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent steigen zu lassen, müsse verfassungsrechtlich verankert werden.

(Text: dpa)

Der Mindestlohn steigt etwas - aber wie geht es weiter?

Es ist ein kleiner Schritt - aber viele Arbeitnehmer profitieren: Zum 1. Januar stieg der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 9,35 Euro pro Stunde auf 9,50 Euro. Bereits beschlossen ist die weitere stufenweise Anhebung auf 10,45 Euro bis Mitte 2022. Das reicht den Gewerkschaften und der SPD aber nicht. Sie fordern eine Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde. Dagegen macht die Wirtschaft Front.
Der Mindestlohn steigt etwas - aber wie geht es weiter?
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«Mir fehlt das Verständnis dafür, wenn sich in diesen schweren wirtschaftlichen Zeiten Politik und Gewerkschaften mit öffentlichen Vorschlägen geradezu überschlagen», sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger der Deutschen Presse-Agentur. Genauso wie Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer warnt er davor, dass die Politik in die Arbeit der Mindestlohnkommission eingreift. Dort sind vorrangig Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften vertreten.

Auf Empfehlung der Kommission hatte die Bundesregierung die aktuelle Erhöhung beschlossen. Zum 1. Juli 2021 wird der Mindestlohn dann auf brutto 9,60 Euro pro Stunde und zum 1. Januar 2022 auf 9,82 angehoben, bevor er zum 1. Juli 2022 10,45 Euro erreicht.

Eingeführt wurde der gesetzliche Mindestlohn 2015. Besonders bei Frauen, Geringqualifizierten und Beschäftigten in Ostdeutschland gab es in den Jahren darauf spürbares Lohnwachstum, wie ein im Dezember vorgelegter Evaluationsbericht zum Mindestlohngesetz zeigt. Wegen der vielen Minijobber stiegen die Monatslöhne im Mindestlohnbereich aber im Schnitt nur etwa halb so stark wie die Stundenlöhne. Denn geringfügig Beschäftigte mit ihrer Verdienstgrenze von 450 Euro hatten bei steigenden Stundenlöhne dann weniger Arbeitszeit.

Für Voll- und Teilzeitbeschäftigte entwickeln sich Monats- und Stundenlöhne laut dem Bericht dagegen ähnlich positiv. Dabei wird der Mindestlohn oft unterlaufen - je nach Erhebung blieben 2018 zwischen 483 000 und 2,4 Millionen Beschäftigungsverhältnisse darunter.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will, dass die Mindestlohnkommission ab 2022 nach geänderten Kriterien verhandelt. Damit soll ein Mindestlohn von 12 Euro erreicht werden. Künftig soll sich das Gremium nach Heils Plänen auch am mittleren Lohn in Deutschland orientieren - bisher ist es vor allem die zurückliegende Tariflohnentwicklung. Bald will Heil konkret werden. Finanzminister Olaf Scholz fordert bereits als SPD-Kanzlerkandidat 12 Euro.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt Heils Vorschlag. «Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, dass wir eine Stärkung der Binnennachfrage brauchen», sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der dpa. Der Mindestlohn solle 60 Prozent des mittleren Einkommens und somit 12 Euro entsprechen.

Verdi-Chef Frank Werneke geht weiter als Heil und Hoffmann. Er will, dass die Lohnuntergrenze nicht allein Sache der Mindestlohnkommission bleibt. «Die Politik darf sich keinen schlanken Fuß machen.» Der Gesetzgeber solle den Mindestlohn einmalig um zwei Euro anheben. Die Arbeitnehmer in Deutschland erhielten laut Werneke ab Mitte 2022 dann mindestens 12,45 Euro. Werneke argumentiert, so würde eine Lücke geschlossen, die durch eine verzögerte Einführung 2015 entstanden sei. «Derzeit ist der gesetzliche Mindestlohn nicht armutsfest», sagte Werneke der dpa. Nach einer Zwei-Euro-Anhebung solle der Mindestlohn wieder jeweils von der Kommission angepasst werden.

Die Arbeitgeber stemmen sich gegen weitere Einmischungen der Politik. «Es sollte eines völlig klar sein, nämlich dass wir Sozialpartner in unserem Feld den Gestaltungsauftrag haben, nicht der Staat», sagte Dulger. «Und deshalb auch mein eindringlicher Appell an die Politik an dieser Stelle: Lasst uns unsere Arbeit machen und rührt die Tarifpartnerschaft nicht an.»

Zu den Anpassungskriterien der Mindestlohnentwicklung gehöre unter anderem die Vorgabe, Beschäftigung nicht zu gefährden. «Genau das wird jetzt aber wie auf einem Basar verhandelt», mahnte Dulger. Politik und Gewerkschaften sollten die Unternehmen mit solchen Diskussionen nicht von ihrem Job abhalten - in dieser schweren wirtschaftlichen Rezession Beschäftigung zu halten und alles dafür zu tun, dass es nach Corona einen wirtschaftlichen Aufschwung gebe.

Handwerkspräsident Wollseifer sagte der dpa: «Wir brauchen kein Dazwischengrätschen der Politik. Die soll die Mindestlohnkommission in Ruhe arbeiten lassen und sich nicht einmischen.» Die Tarifpartner wüssten um die Lage in ihren Branchen und Regionen. «Die werden dafür sorgen, dass es einen auskömmlichen Mindestlohn gibt.»

(Text: Andreas Hoenig und Basil Wegener, dpa)

Kurzarbeit mündet nicht in Arbeitslosigkeit

Arbeitsmarktpolitische Corona-Wunderwaffe mit Schattenseiten: Die Kurzarbeit hat sich trotz einiger kritischer Entwicklungen und hoher Kosten nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise bewährt. «Wir sehen, dass Kurzarbeit wieder in Beschäftigung mündet, nicht in Arbeitslosigkeit», sagte der Vorstandsvorsitzende Detlef Scheele in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Die Kurzarbeit geht zurück, die Arbeitslosigkeit auch.» Dies zeige, dass das Instrument als Brücke über eine Krisensituation taugt.
Kurzarbeit mündet nicht in Arbeitslosigkeit
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In Deutschland waren in diesem Jahr vor allem wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie so viele Menschen in Kurzarbeit wie noch nie zuvor. Der bisherige Höchststand wurde im April erreicht, mit knapp sechs Millionen Menschen. Seitdem ging die Zahl bis zuletzt sukzessive zurück, auf 2,22 Millionen im September.

36 Prozent der Arbeitszeit der Betroffenen fiel im September im Schnitt aus. Auf dem bisherigen Höhepunkt im April war es noch ein durchschnittlicher Ausfall von 48 Prozent.

Insgesamt wird die Bundesagentur am Jahresende mehr als 20 Milliarden Euro für die Kurzarbeit aufgewendet haben. Im Jahr 2019 waren es 157 Millionen Euro, im Haushaltsansatz für dieses Jahr waren ursprünglich 255 Millionen Euro eingeplant.

Im November und Dezember wird wieder ein Anstieg der Kurzarbeit erwartet, nachdem es zunächst zum Teil-Lockdown unter anderem in der Gastronomie gekommen war, seit Mitte Dezember ist zudem auch der Einzelhandel wieder zu großen Teilen geschlossen. Allein im November hatte es 537 000 neue Anzeigen für Kurzarbeit gegeben - wovon in der Regel aber nicht alle auch realisiert werden.

Kritiker, darunter Experten der Boston Consulting Group, hatten moniert, die im großen Stil angewandte Kurzarbeit in Deutschland führe dazu, dass notwendige Transformationsprozesse in der Industrie nicht oder verspätet stattfänden. Unter anderem war von «Zombie»-Unternehmen, die Rede, die nur durch die Übernahme von Löhnen durch den Staat via Kurzarbeit über Wasser gehalten würden.

«Ein strukturelles Problem sehen wir nicht», sagte Scheele. Gleichwohl könne es «gelegentliche Mitnahmeeffekte» geben. Dies lasse sich mit den Mitteln der Bundesagentur auch nicht völlig ausschließen. In der Güterabwägung zwischen dem Verlust von Arbeitsplätzen und wenigen Mitnahmeeffekten sei er dafür, den Arbeitsplatzverlust zu minimieren. «Wenn wir die Kurzarbeit nicht hätten, dann würde das Land anders aussehen», sagte Scheele.

Insbesondere in der Industrie sei es extrem schwierig, einmal verloren gegangene Arbeitsplätze wieder zurückzuholen.
Er forderte Gewerkschaften, Kammern und Arbeitgeberverbände auf, bei den Unternehmen noch mehr dafür zu werben, dass die Möglichkeiten zur Förderung der betrieblichen Qualifizierung - auch während der Kurzarbeit - noch stärker genutzt würden. Der Mangel an Fachkräften werde die Corona-Krise als beherrschendes Thema auf dem Arbeitsmarkt wieder ablösen. Qualifizierung sei entscheidend für die Transformation in der Wirtschaft.

(Text: dpa)

«Knecht Porthrecht» mit der Rute

Statt Weihnachtsfrieden gab es diesmal Galgenhumor zum Fest - und neue Spitznamen für die Daimler-Chefs. «Sankt NikOLAus und Knecht Porthrecht», beschwerten sich Betriebsräte vor den Feiertagen, seien mit Rute und goldenem Sparbuch unterwegs, um die Belegschaft zu bestrafen. Das Unternehmen, schrieben sie, «versohlt den artigen Beschäftigten kräftig den Hintern». Auch wenn solch markige Worte auf Arbeitnehmerseite zum Handwerk gehören, ist ziemlich offensichtlich: Beim Stuttgarter Autobauer hängt der Haussegen schief.
«Knecht Porthrecht» mit der Rute
Bild: dpa

Dass nicht alles bleiben kann, wie es ist, ist zwar allen klar. Als Reaktion auf die Corona-Krise hatten Arbeitnehmer und Management erst im Herbst unter anderem eine Reduzierung der Arbeitszeit in einigen Bereichen vereinbart. Auch die jährliche Prämie fällt 2021 aus. Aus Sicht der Belegschaft aber überspannen der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius und sein Personalchef Wilfried Porth den Bogen inzwischen. Zu viele Zahlen und zu wenig die Menschen im Blick, so der Vorwurf. Von «Sparwahn» ist die Rede.

Daimler steckt viel Geld und Energie in seine Elektroauto-Familie, entsprechend steht vor allem die Zukunft der Motorenwerke in Berlin und am Konzernsitz in Stuttgart-Untertürkheim im Fokus. Erst Ende November hatte das Management damit gedroht, die Entwicklung wichtiger Zukunftstechnologien doch nicht in Untertürkheim anzusiedeln, wenn der Betriebsrat weiter auf früheren Zusagen zur Auslastung des Standorts beharre. Die Arbeitnehmervertreter fühlten sich erpresst, eine Entscheidung wurde ins neue Jahr verschoben. In Berlin gingen vor knapp drei Wochen Hunderte Beschäftigte auf die Straße, weil sie um ihre Jobs fürchten. Zusammen mit der IG Metall karrten die Betriebsräte waschkörbeweise Protestpost vor die Konzernzentrale in Stuttgart.

Ein sogenannter Transformationsfonds hat die Wogen zuletzt wieder etwas geglättet. Eine Milliarde Euro zusätzlich soll unter anderem dazu dienen, Jobs an den Standorten zu sichern, die am stärksten von der Transformation betroffen sind. Zuvor waren schon bis zu 1000 Euro Corona-Bonus für die Beschäftigten in Deutschland angekündigt worden.

Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht, der dem Management zeitweise Beratungsresistenz vorgeworfen hatte, schlägt versöhnliche Töne an. «Nach den teils öffentlich geführten emotionalen Diskussionen über die Zukunft unserer Standorte in den vergangenen Wochen befinden wir uns wieder in konstruktiven Gesprächen», sagt er. Die Corona-Pandemie mit allen ihren Auswirkungen beschleunige die Transformation, und natürlich müsse man dabei zunächst die Ausgaben im Blick haben. «Allerdings dreht es sich dabei gefühlt immer um die Personalkosten. Das macht den Menschen Angst», sagt Brecht.

Källenius spreche immer von einem Marathon, den es zu bewältigen gelte. Dann solle er aber auch daran denken, sich die Kraft gut einzuteilen, mahnt der Gesamtbetriebsratschef. Es wäre aus seiner Sicht ein Fehler, die Menschen, die den Marathon mitrennen sollen, zu schwächen und ihre Leistung anzuzweifeln. «Der Vorstand kann alleine kein Rennen gewinnen – verlieren schon», sagt Brecht.

Mit dem Ziel, die Kosten zu drücken, hat Källenius seit seinem Amtsantritt im Mai 2019 tatsächlich ein beachtliches Tempo vorgelegt. Mindestens 15 000 Stellen, eher deutlich mehr, sollen wegfallen, auch weil die Sparpläne wegen der Corona-Krise noch mal nachgeschärft wurden. Das Produktionsnetz im Pkw-Bereich wird ausgedünnt. Das Smart-Werk in Hambach, einst deutsch-französisches Prestigeprojekt, hat Källenius verkauft. Auch in Brasilien baut Mercedes-Benz künftig keine Autos mehr. Eine Kooperation mit dem chinesischen Großaktionär Geely soll die Entwicklung von Motoren effizienter machen. Im Truck-Bereich paktiert man bei der Brennstoffzellentechnik mit Volvo und bei autonomen Lastwagen mit der Google-Schwester Waymo.

Die Ideen- und Start-up-Schmiede Lab1886 hat Daimler dagegen größtenteils verkauft. Und dass als nächstes zumindest Teile der gemeinsam mit BMW betriebenen Mobilitätsdienste an der Reihe sein könnten, darüber wird zumindest hartnäckig spekuliert. Die teure Kooperation mit der Münchner Konkurrenz bei der Entwicklung autonomer Autos liegt ohnehin schon länger auf Eis.

So schwer es für die Arbeitnehmer auch ist: Daimler muss da durch, meint der Branchenexperte Stefan Reindl. «Es geht nur über die Kosten oder über den Ertrag. Beides nimmt Källenius jetzt in Angriff», sagt Reindl, der das Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen leitet. Källenius will stärker auf das Thema Luxus und die oberen Enden der Segmente setzen, wo mehr Geld pro Auto zu verdienen ist. Ein guter Plan, der funktionieren könne, findet auch Reindl. Aber auch ein langwieriges Projekt. «Die Kostenseite ist dagegen kurzfristig beeinflussbar – insbesondere über Personalkosten», sagt er.

Die Daimler-Belegschaft hält der Experte ebenso wie die Anleger für erfolgsverwöhnt. «Källenius muss strikt an den Maßnahmen festhalten», rät er - auch wenn das nicht heiße, dass das Management nicht weiterhin auf die Arbeitnehmer zugehen sollte. «Konfrontation ist nicht erfolgversprechend.»

(Text: Nico Esch, dpa)

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