Das sind 41 000 mehr als im zweiten Quartal, aber auch 426 000 freie Arbeitsplätze weniger als im Vorjahr - ein Rückgang um 31 Prozent. Die Auswirkungen des am Montag begonnenen, zweiten Corona-Lockdowns werden erst im vierten Quartal wirksam.
Auffallend sei, dass vor allem bei kleineren Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern das Angebot an freien Stellen gewachsen ist.
«Viele Betriebe sind seit dem Beginn der Corona-Krise zurückhaltend bei der Personalsuche. Die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie belastet auch das Einstellungsverhalten der Betriebe», sagte der IAB-Arbeitsmarktforscher Alexander Kubis.
Das IAB untersucht viermal jährlich das gesamte Stellenangebot, also auch jene Stellen, die den Arbeitsagenturen nicht gemeldet werden. Im dritten Quartal 2020 lagen Antworten von rund 8 500 Arbeitgebern aller Wirtschaftsbereiche vor.
(Text: dpa)
«Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind im Oktober kräftig gesunken», sagte der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef Scheele. «Nach wie vor zeigen sich am Arbeitsmarkt aber deutliche Spuren der ersten Welle der Corona-Pandemie», betonte er.
Die Oktober-Statistik bildet jedoch bisher nicht die möglichen Auswirkungen der rasant gestiegenen Corona-Infektionszahlen von Mitte Oktober an ab. Der Stichtag für die Datenerhebung der Bundesagentur liegt jeweils etwa Mitte des Monats, der starke Anstieg des Infektionsgeschehens setzte großteils erst danach ein.
Die Zahl der Kurzarbeiter in Deutschland ist im Sommer weiter zurück gegangen. Nach Angaben der Bundesagentur hatten Betriebe im August für 2,58 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle im April hatte die Zahl noch bei knapp sechs Millionen Menschen gelegen. Die Inanspruchnahme habe seitdem sukzessive abgenommen, teilte die Bundesagentur weiter mit. Von 1. bis 25. Oktober sei noch einmal für 96 000 Personen Kurzarbeit angezeigt worden. Erfahrungsgemäß erweist sich tatsächliche Zahl der Kurzarbeiter aber meist als kleiner als die Zahl der Anzeigen.
(Text: dpa)
Heil will einen Mindestlohn von 12 Euro erreichen. «Fünf Jahre nach der Einführung entspricht der Mindestlohn immer noch 46 Prozent des Durchschnittseinkommens», sagte er. «Ich halte 12 Euro dann für ein erreichbares Etappenziel.» Damit würde die Schere zu den Durchschnittslöhnen, die in Deutschland gerade bei 19,76 Euro lägen, deutlich verkleinert. Er setze darauf, dass 2022 die Pandemie und die Wirtschaftskrise so weit überwunden seien, dass so ein Schritt dann richtig sei.
Heil: «Ich halte es politisch für notwendig, dass wir über diesen Zeitraum 2022, Juli, hinaus dann relativ rasch auch zu höheren Schritten kommen. Dazu werde ich Vorschläge machen, die wir dann auch in der Koalition zu besprechen haben.» Auch künftig solle im Grundsatz aber die Mindestlohnkommission unter Einbeziehung der Sozialpartner in Deutschland Vorschläge für den Mindestlohn machen.
Heil begrüßte das Eintreten der EU-Kommission für konkrete Mindestlohn-Vorgaben. Die Behörde gab am Mittwoch in Brüssel bekannt, dass Geringverdiener überall in der EU mindestens 50 Prozent des Durchschnittslohns oder 60 Prozent des sogenannten mittleren Lohns im eigenen Land bekommen sollen. Der mittlerer Lohn ist eine Rechengröße: 50 Prozent der Arbeitnehmer verdienen mehr, 50 Prozent weniger. In Deutschland liegt der Mindestlohn derzeit deutlich unter den genannten Werten.
«Als deutsche Ratspräsidentschaft begrüßen wir diese Vorlage der Europäischen Kommission», sagte Heil. Er sprach sich für einen europäischen Rahmen in Form einer Richtlinie und eine Stärkung der Sozialpartnerschaft in Europa aus. «Ich sage auch, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission auch die nationale Debatte prägen wird.»
Heil betonte, dass die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anpassung in Deutschland sich an der Tarifentwicklung orientiere, zugleich aber auch die wirtschaftlichen Unsicherheiten der Corona-Pandemie betrücksichtigt. Kaufkraft werde gestärkt.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte versprochen, dass alle Arbeitnehmer in der Europäischen Union Mindestlöhne erhalten sollen, mit denen sie an ihrem Wohnort angemessen leben können. Nach Angaben der Kommission gilt jede sechste Arbeitskraft in der EU als Geringverdiener, die Mehrheit davon Frauen.
(Text: dpa)
Der VW-Konzern als weltgrößter Hersteller meldete am gestrigen Donnerstag (29. November) für Juli bis September eine spürbare Besserung. Der auf die Aktionäre entfallende Nettogewinn pendelte sich bei 2,6 Milliarden Euro ein, während es im zweiten Jahresviertel einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro gegeben hatte. Beim Umsatz, bei den Auslieferungen und im laufenden Geschäft entspannte sich die Lage ebenso. Mit Blick auf die Vorjahreswerte macht sich die Pandemie aber weiter bemerkbar.
Vor allem im April hatten infolge des ersten Corona-Shutdowns die Bänder wochenlang stillgestanden. Auch Autohäuser waren vielerorts geschlossen, Lieferketten gekappt. VW konnte den zwischenzeitlichen Rückstau in den Lagern mittlerweile abarbeiten und auch dank der Kaufprämien für Hybrid- sowie E-Autos wieder mehr Fahrzeuge absetzen.
Der Umsatz lag im dritten Jahresviertel mit 59 Milliarden Euro zwar um 3,4 Prozent unter Vorjahresniveau - das ist aber eine Verbesserung zum Vorquartal, als ein Absturz um 37 Prozent im Vergleich zu 2019 den Büchern gestanden hatte. Die Auslieferungen lagen zuletzt konzernweit um 1,1 Prozent im Minus, ebenfalls eine Stabilisierung nach dem Abrutschen um fast ein Drittel im zweiten Quartal.
Man sehe nun eine «spürbare Erholung», hieß es. Jedoch ist die Gesamtentwicklung 2020 unverändert kritisch. «Das Geschäft des Volkswagen-Konzerns bleibt nach neun Monaten stark von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt», so Finanzvorstand Frank Witter. Immerhin gebe es eine «deutliche Erholungstendenz». Im September hatten die Auto-Neuzulassungen in mehreren europäischen Staaten wieder etwas zugelegt, nicht nur von den geförderten Modellen mit alternativen Antrieben kamen mehr Exemplare auf die Straße.
Der Automarkt-Experte der NordLB, Frank Schwope, zeigte sich optimistisch: «Volkswagen überzeugt nach dem katastrophalen zweiten mit einem starken dritten Quartal und konnte die Markterwartungen klar übertreffen.» Aber er warnte vor frühzeitiger Entwarnung: «Auch wenn sich die Kennzahlen massiv verbesserten, hat die Autoindustrie Sorge vor einem zweiten Corona-Lockdown. Unseres Erachtens dürfte der Corona-Spuk mindestens bis kommenden Sommer für Unsicherheit sorgen.»
Bei den einzelnen Konzernmarken zeigen sich große Unterschiede. Die VW-Pkw fuhren im dritten Quartal einen operativen Gewinn ein, nach dem Milliardenverlust im zweiten Jahresviertel erzielte das Herzstück der Wolfsburger Autogruppe ein Ergebnis von 522 Millionen Euro. Auf den gesamten Jahresverlauf gerechnet, steckt der Betriebsgewinn jedoch noch mit knapp einer Milliarde Euro in den roten Zahlen fest.
Audi erwirtschaftete zwischen Juli und September einen operativen Ertrag von 864 Millionen Euro, das Ergebnis seit Jahresbeginn ist mit 221 Millionen Euro klar schwächer. Bei Porsche ist es mit 741 Millionen beziehungsweise 1,9 Milliarden Euro umgekehrt. Angetrieben wurde das Geschäft von China, das mehr als 1,2 Milliarden Euro zum Gewinn des VW-Konzerns im dritten Quartal beisteuerte.
Witter betonte, die gesamte Gesellschaft sei gefragt, um das Risiko eines neuerlichen Totalstillstands zu verringern: Die Beschlüsse zu verschärfter Kontaktreduzierung seien ein «ganz klares Signal, dass es auf uns alle ankommt, die Situation in den Griff zu kriegen». Auch in der VW-Belegschaft gibt es neue Ansteckungen, der Konzern setzt ein Corona-Hygienekonzept ein. Bei Auslieferungen und Umsatz erwartet VW für 2020 ein Abschneiden «deutlich unter» Vorjahr. Das operative Ergebnis soll «gravierend rückläufig, aber insgesamt positiv» sein.
Autounternehmen versuchen, sich etwa durch Kurzarbeit und zusätzliche Finanzierung abzusichern. Das Personal bekommt die Konsequenzen der Krise aber zu spüren. Bei der VW-Kernmarke herrscht offiziell ein Einstellungsstopp, bei der Lkw-Tochter MAN läuft ein umstrittener Sparkurs mit Tausenden Jobstreichungen. Insgesamt nahm die Zahl der Beschäftigten im größten europäischen Industriekonzern zum Ende des dritten Quartals leicht um ein Prozent auf 664 200 ab.
Die Investitionen ins laufende Geschäft sanken zuletzt um fast zehn Prozent. Mitte November will der Vorstand die Pläne für die kommenden fünf Jahre nennen. Für die «großen Zukunftsthemen Elektrifizierung und Digitalisierung» würden die Ausgaben «auf hohem Niveau gehalten».
Bei anderen Anbietern hatte sich ebenfalls eine Erholung über den Sommer abgezeichnet. Daimler fuhr zwischen Juli und September gar mehr Gewinn ein als vor einem Jahr, auch weil die Geschäfte in China wieder unter Volldampf liefen. Bei BMW hellte sich nach ersten Erkenntnissen die Kassenlage mit deutlichen Mittelzuflüssen auf - im ersten Halbjahr hatte es dort noch desolat ausgesehen.
Beim Zulieferer Continental verzog sich die düstere Gemengelage im Tagesgeschäft. Dass Conti beim Umsatz und operativen Ergebnis fast zu alten Werten zurückfand, spiegelte sich allerdings nicht unter dem Strich wider: Die Hannoveraner verbuchten erneut hohe Abschreibungen und müssen weiterhin viel Geld in den teuren Personalabbau stecken.
(Text: Jan Petermann, dpa, und Marco Engemann, dpa-AFX)
Zudem sei für das kommende Jahr wie im Vorjahr unter anderem ein Budget von 1,75 Millionen Euro für Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsschutz in dem Unternehmen vereinbart worden, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgingen. Der neue Tarifvertrag habe eine Laufzeit bis Ende August 2021.
Ein Verdi-Sprecher zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. IBM wollte sich auf Anfrage nicht näher äußern.
(Text: dpa)
Für alle Beschäftigten gibt es im ersten Schritt mindestens 50 Euro mehr, für Auszubildende 25 Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 28 Monate betragen. Die Gewerkschaften hatten ein Jahr gefordert. Die Arbeitgeber hatten drei Jahre angeboten.
Die Gewerkschaften waren mit der Forderung eines Lohn- und Gehaltsplus von 4,8 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Aufsummiert beträgt das Plus nun 3,2 Prozent bei mehr als zwei Jahren Laufzeit.
Noch in diesem Jahr erhalten alle Beschäftigten eine Corona-Prämie. Diese soll für die unteren Entgeltgruppen 600 Euro betragen, für die mittleren 400 Euro und für die oberen Lohngruppen 300 Euro. Die Auszubildenden erhalten 225 Euro bei den Kommunen und 200 Euro beim Bund.
Verdi-Chef Frank Werneke sprach von einem «respektablen Abschluss». Er sei maßgeschneidert für unterschiedliche Berufsgruppen, die im Fokus der Tarifrunde gestanden hätten. «Besonders erfreulich ist, dass es uns gelungen ist, deutliche Verbesserungen für untere und mittlere Einkommensgruppen sowie für den Bereich Pflege und Gesundheit durchzusetzen», betonte Werneke.
Die Einkommen steigen demnach um 4,5 Prozent in der niedrigsten Entgeltgruppe und -stufe und um 3,2 Prozent in der höchsten Eingruppierung. In der Pflege beträgt die Steigerung demnach 8,7 Prozent. Intensivkräfte sollen bis zu 10 Prozent mehr Lohn erhalten.
Insgesamt lag ein Schwerpunkt auf der Pflege. Als monatliche Zulage für alle in der Pflege Beschäftigten soll es ab März 2021 70 Euro geben, ein Jahr später noch einmal 50 Euro. Die Zulage in der Intensivmedizin soll mehr als verdoppelt werden. Ärzte in den Gesundheitsämtern erhalten ab März 2021 eine Zulage von 300 Euro monatlich.
In der Pflegebranche wird seit Wochen zunehmend energisch von der Politik gefordert, nach dem vielen Lob für den Einsatz der Beschäftigten unter anderem für Corona-Erkrankte für Verbesserungen zu sorgen. Ohne besseres Gehalt könne auch nicht mehr Personal in den unter Pflegenotstand leidenden Kliniken gefunden werden, heißt es dort.
Die Arbeitszeit bei Bund und Kommunen im Osten soll von 40 Stunden auf das Westniveau von 39 Stunden abgesenkt werden - und zwar in zwei Schritten bis Januar 2023.
Der Vorsitzende des Beamtenbundes dbb, Ulrich Silberbach, sagte: «Das ist der Corona-Kompromiss. Wir haben mit diesem Abschluss das aktuell Machbare erreicht.» Die Arbeitgeber hätten den Handlungsbedarf im Krankenhaus- und Pflegebereich anerkannt. Bei anderen Leistungsträgern des öffentlichen Dienstes, etwa in Ordnungsämtern, Jobcentern oder der allgemeinen Verwaltung, sei diesmal nicht mehr durchzusetzen gewesen. «Darum war besonders wichtig, die von den Arbeitgebern geforderte dreijährige Laufzeit zu verhindern.»
Zu Beginn der dritten Verhandlungsrunde am Donnerstag waren beide Seiten weit auseinander gelegen. In der Nacht zu Sonntag und am Morgen hatten die Gremien beider Seiten die Pläne beraten. Bei den Gewerkschaften waren dies die Tarifkommissionen, deren Mitglieder größtenteils online zugeschaltet wurden, damit sich mitten in der Corona-Pandemie nicht noch mehr Menschen für die Tarifverhandlungen in Potsdam in einem Hotel aufhalten mussten. Rund 200 Personen waren an der Tarifrunde dort beteiligt. Bei der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) tagte die Mitgliederversammlung am Verhandlungsort. Am Morgen folgten getrennte Beratungen der Verhandlungsgruppen, bevor die Spitzengruppe am Vormittag wieder zusammentrat.
Auch sonst stand die Tarifrunde völlig im Zeichen der Pandemie. Die Gewerkschaften standen unter dem Druck, Warnstreiks und Proteste unter Einhaltung der Hygieneregeln durchzuführen. Mehrfach hatten sie den kommunalen Arbeitgebern vorgeworfen, ihre Lage auszunutzen. Die Haushalte der Kommunen wiederum sind wegen der Wirtschaftskrise und wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen stark belastet.
(Text: dpa)
„Diese Unterschiede unterstreichen die Dringlichkeit, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken“, schreiben Dr. Malte Lübker und Prof. Dr. Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Analyse. Die Forscher haben die Tarifbindung für Deutschland insgesamt und auf Ebene der einzelnen Bundesländer anhand des IAB-Betriebspanels untersucht.
Im Jahr 2019 konnten nur noch 52 Prozent der Beschäftigten in Deutschland auf einen Tarifvertrag zählen, im Jahr 2018, dem aktuellsten, für das auch differenzierte Länder-Daten vorliegen, waren es 54 Prozent. Im Vergleich der Bundesländer liegen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit 60 Prozent vorn, Schlusslicht ist Sachsen mit nur 40 Prozent (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Gemeinsam ist allen Bundesländern, dass die Arbeitsbedingungen in wesentlichen Punkten wie Arbeitszeit und Entgelt in tariflosen Betrieben deutlich schlechter sind. Teilweise lassen sich die Unterschiede damit erklären, dass tarifgebundene Betriebe im Schnitt größer sind und in Branchen mit tendenziell höheren Löhnen tätig sind.
Doch auch um diese Effekte bereinigt bleibt die Differenz eklatant: Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiten bundesweit im Schnitt wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen elf Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung, die hinsichtlich der Betriebsgröße, des Wirtschaftszweiges, der Qualifikation der Beschäftigten und des Standes ihrer technischen Anlagen identisch sind.
Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede: Längere Arbeitszeiten in tariflosen Betrieben sind in den westdeutschen Bundesländern besonders ausgeprägt, und zwar auch dann, wenn man strukturelle Effekte wie Betriebsgröße und Branche herausrechnet. In Baden-Württemberg arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen jede Woche 72 Minuten zusätzlich, in Bremen sind es 64 Minuten. Über das Jahr gesehen entspricht dies gut einer zusätzlichen Arbeitswoche – und dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass Beschäftigte ohne Tarifvertrag häufig auch weniger Urlaubstage haben. Beim Entgelt zeigen sich die größten Nachteile in den neuen Bundesländern: In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben monatlich 17,7 Prozent weniger als Arbeitnehmer in vergleichbaren Betrieben mit Tarifbindung, in Sachsen-Anhalt beträgt der Rückstand sogar 18,3 Prozent. Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kollegen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben dort also bis in den März des Folgejahres hinein arbeiten.
Die geringeren Löhne in Ostdeutschland lassen sich deshalb auch mit Defiziten bei der Tarifbindung erklären: Zum einen ist die Tarifbindung im Osten durchweg geringer als im Westen, es profitieren also weniger Menschen von Tarifverträgen. Zum anderen unterbieten hier die tariflosen Betriebe die Konditionen der Tarifverträge besonders deutlich. „Das empfinden viele der Betroffenen verständlicher Weise als ungerecht“, so WSI-Experte Lübker. „Tarifverträge schaffen mehr Gerechtigkeit, müssen aber oft hart erkämpft werden.“ Ermutigend seien deshalb Beispiele von ostdeutschen Betrieben, in denen Beschäftigte sich organisiert haben und über Tarifverträge bessere Konditionen durchgesetzt haben. Auch in den ostdeutschen Staatskanzleien habe sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass Niedriglöhne im Wettbewerb um Fachkräfte kein Standortvorteil sind.
Bedrohliche Erosion
Mit Tarifverträgen seien in der Bundesrepublik sukzessive kürzere Wochenarbeitszeiten durchgesetzt, Lohnerhöhungen festgeschrieben oder Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit eingeführt worden, schreiben Lübker und Schulten. Vor diesem Hintergrund sei es „eine bedrohliche Entwicklung“, dass die Tarifbindung in den vergangenen zwei Jahrzehnten abgenommen hat – zur Jahrtausendwende hatten noch 68 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag. Ein Grund für diese Entwicklung war einerseits der wirtschaftliche Strukturwandel: In industriellen Großbetrieben sind Arbeitsplätze verloren gegangen, während in kleinteiligeren Bereichen neue entstanden sind. Dies mache es für Gewerkschaften heute schwieriger, Mitglieder zu organisieren, so die Experten. Doch auch dort, wo es Gewerkschaften gelingt, durch erfolgreiche Mitgliedergewinnung in tariflosen Betrieben Fuß zu fassen, stößt die Durchsetzung von Tarifverträgen zum Teil auf heftigen Widerstand der Arbeitgeber. Zusätzlich trägt zur Erosion bei, dass sich auch Arbeitgeber aus Branchen, in denen Tarifverträge traditionell verwurzelt sind, einer tariflichen Bezahlung entziehen. Durch die Einführung von sogenannten OT-Mitgliedschaften (ohne Tarifbindung) haben einige Arbeitgeberverbände diese Entwicklung vorangetrieben.
Bundesregierung sollte Tarifautonomie stärken
„Damit Tarifautonomie funktionieren kann, braucht es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können“, erklären die Wissenschaftler. Gleichzeitig sei auch die Regierung gefordert: Die Erleichterung von Allgemeinverbindlicherklärungen könne die Reichweite von bereits geschlossenen Tarifverträgen erhöhen. Zudem verfügten Bund, Länder und Gemeinden mit der öffentlichen Auftragsvergabe und der Wirtschaftsförderung über einen zusätzlichen Hebel – sie könnten Tariftreue zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe oder Förderung machen. Wegweisend seien hier das Landesvergabegesetz in Berlin sowie die Richtlinien zur Wirtschaftsförderung in Mecklenburg-Vorpommern, die sehr weitgehende Tariftreuevorgaben enthielten.
(Text: Hans-Böckler-Stiftung)
Fast jeder vierte Beschäftigte, der sich von oben ungerecht behandelt fühlt, berichtet über Wut oder Ärger. Die Folgen bei jeweils rund jedem Fünften: Lustlosigkeit, Erschöpfung - aber auch Schlafstörungen. Körperliche Beschwerden wie Rücken- und Gelenkschmerzen weisen nach eigenen Angaben 25,8 Prozent der Betroffenen auf, Kopfschmerzen 10,2 Prozent.
Unterm Strich berichten 13 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Ansicht nach ungerechten Chefs, dass sie Beschwerden haben. Von denen, die ihre Führungskraft fair finden, sind es nur 3,4 Prozent.
Fast jedem zweiten Beschäftigten fehlt es im Betrieb an gerechten Konfliktlösungen. Wertschätzung im Job vermissen zwei von fünf. Rund ein Drittel bemängelt, ihre Firma stehe nicht hinter dem Personal.
Wenn Vorgesetzte den Mitarbeitern das Gefühl geben, fair behandelt zu werden, fühlen sich diese im Schnitt deutlich häufiger gut im Unternehmen aufgehoben und der Firma verbunden. Sie würden sie als Arbeitgeber auch weiterempfehlen. «Fairen Betrieben gelingt es eher, hoch qualifizierte selbstständig arbeitende, zufriedene und gesunde Beschäftigte auch dauerhaft an das Unternehmen zu binden», unterstrich der Vize-Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Helmut Schröder. «Unternehmen und Führungskräfte, deren Agieren von ihren Beschäftigten als gerecht empfunden wird, haben zufriedenere und gesündere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter», lautet das Fazit von AOK-Chef Martin Litsch.
(Text: dpa)
Dieser stieg in den ersten sechs Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Viertel auf 6,4 Milliarden Euro. «Ein Plus, das die hohen Auftragseingänge der letzten beiden Jahre reflektiert», sagte Rodenbeck. «Und ein Plus, das die Resilienz der Bahnindustrie in Deutschland spiegelt.» 4,4 Milliarden Euro entfielen davon demnach auf den Verkauf von Schienenfahrzeugen wie Lokomotiven und Züge. Den übrigen Umsatz machte die Branche mit Komponenten für die Schieneninfrastruktur.
Rund 40 Prozent des Geschäfts macht die deutsche Bahnindustrie im Ausland. Und das könnte in den kommenden Monaten zum Problem werden. «Der Auftragseingang im Export bricht massiv ein», sagte Rodenbeck. «Das macht uns sehr große Sorge.» Um rund ein Drittel ging demnach der Eingang neuer Order aus dem Ausland zurück und lag im ersten Halbjahr damit bei einem Volumen von lediglich 2,3 Milliarden Euro, nach 3,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2019.
Während die Nachfrage nach Infrastrukturkomponenten sowohl im Inland aus auch im Ausland in den ersten sechs Monaten zum Teil deutlich gestiegen ist, fehlten die Aufträge vor allem mit Blick auf Schienenfahrzeuge. Um mehr als die Hälfte brach dort der Auftragseingang aus dem Ausland ein und lag im ersten Halbjahr bei 1,4 Milliarden Euro.
Weil in Deutschland Bahn und Bund die Investitionen in die Schiene in den vergangenen Monaten deutlich hochgefahren haben und auch in der Krise daran festhalten, ist die Lage im Inland entspannter. Die künftigen Umsatzeinbußen aus dem Ausland wird sie aus Sicht des Verbands aber nicht kompensieren können. Rodenbeck sprach sich deshalb dafür aus, im Konjunkturpaket vorgesehene Investitionen in die Bahn-Infrastruktur schneller umzusetzen als bislang geplant. Vor allem die oft noch veralteten Stellwerke ließen sich so schneller modernisieren. Mehrere Tausend Arbeitsplätze könnten entstehen.
(Text: dpa)
Dort kamen beide Seiten am Vormittag zusammen, um darüber zu verhandeln, wie mit den Verlusten aus der Corona-Krise umgegangen werden soll. Die Bahn will den Anstieg der Personalkosten dämpfen, weil die Einnahmen in den vergangenen Monaten massiv eingebrochen sind.
Die GDL fordert einen speziellen Tarifvertrag für die Folgen der Corona-Krise. Darin solle auch eine Einmalzahlung in Höhe von 1300 Euro für die Beschäftigten festgehalten werden, als Anerkennung für die Leistungen der Mitarbeiter während der Krise. Zudem forderte Weselsky, «dass sämtliche Führungskräfte des Konzerns Deutsche Bahn AG für drei Jahre auf ihre Boni verzichten». Der Vertrag solle eine Laufzeit von einem Jahr haben.
Der aktuelle Tarifvertrag läuft im Februar aus. Bis dahin gilt die Friedenspflicht - auch im Falle eines Scheiterns des Schichtungsverfahrens, das zunächst drei Wochen dauern soll. «In den nächsten Wochen erwarten wir konstruktive Verhandlungen, um eine Lösung mit der GDL für einen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Schäden zu vereinbaren», hatte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler jüngst mitgeteilt. Es handele sich bei dem Schlichtungsverfahren deshalb «nicht um eine vorgezogene reguläre Tarifrunde, sondern um eine durch Corona verursachte Sondersituation».
(Text: dpa)