Qoshja sagt, er habe den Wechsel nach Berlin früh in seinem Berufsleben als Herausforderung gesehen. «Ich wollte gucken, wie das ist. Ich bin noch jung.» Zehn Monate lernte er intensiv Deutsch, bevor es losging, auch eine Fachprüfung stand an. Heute anwerben, morgen pflegen - ganz so leicht ist es jedoch nicht. In der ersten Zeit seien zwei Welten aufeinandergeprallt, sagt Qoshjas Vorgesetzte auf der neurochirurgischen Station am Klinikum Benjamin-Franklin. Heute lässt der humorvolle Ton unter den Kollegen ihn wie ein Musterbeispiel für gelungene Integration wirken. Wer von den Hürden der Vergangenheit hört, ahnt, dass es anders hätte kommen können.
Europas größte Uni-Klinik mit 4500 Pflegekräften begann 2016, im Ausland Verstärkung zu suchen - unter Zugzwang. Die Gewerkschaft Verdi hatte die Charité mit einen Tarifvertrag zur Einstellung zusätzlicher Pfleger gedrängt. «Ganz sicher war die Anpassung des Personals an den Bedarf und weniger ans Budget nochmal treibende Kraft dahinter, dass wir in die Akquise gegangen sind», sagt Pflegedirektorin Judith Heepe. Das Thema treibe aber viele Kliniken schon länger um. Alle haben Probleme, vakante Stellen nachzubesetzen.
Kein Berliner Problem allein: In der Alten- und Krankenpflege sind deutschlandweit rund 35 000 Stellen nicht besetzt. Mit einem «Walk of Care» wollen hunderte Azubis und examinierte Schwestern und Pfleger an diesem Samstag bessere Arbeitsbedingungen fordern. «Wir sind überzeugt, dass wir für Veränderungen in der Pflege selbst aktiv werden müssen», schreiben die Organisatoren vom Zusammenschluss Berliner Pflegestammtisch. Sie wollen bewusst unabhängig sein von Dachorganisationen.
Die Lage in der Hauptstadt ist alles andere als rosig. Laut Verdi ist Berlin allein 3000 Pflegestellen von «gesunden Krankenhäusern» entfernt, von anderen Bereichen wie der Altenpflege ganz zu schweigen. Obwohl die Charité auch die Bemühungen um Nachwuchs verstärkt, etwa mit einem Pflege-Studiengang ab 2020, und mehr für Bestandsbeschäftigte tun will, war klar, dass sich der akute Bedarf nicht aus eigener Kraft decken lässt.
Pfleger aus Nachbarländern einzuladen, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kürzlich vorschlug, war keine Option. «Wichtig war mir, dass wir mit einem Land den Prozess gestalten, das nicht selber unter einem Mangel leidet», sagt Heepe. So fielen europäische Nachbarn weg. Zudem habe die Erfahrung mit Pflegern aus Spanien und Italien gezeigt, dass eine geringe Distanz zur Heimat eine Rückkehr in Krisenphasen begünstigt; andere nutzten eine Zeit in Berlin nur als Karriere-Sprungbrett und zogen dann weiter. Sogar das Wetter in Deutschland ist ein Rückkehrgrund. So kam die Charité, anfangs mit Hilfe einer Vermittlungsagentur und inzwischen auf eigene Faust, auf Albanien und Mexiko.
Generell konzentrieren sich Anbieter, Vermittlungsprogramme und Kooperationen derzeit auf Nicht-EU-Herkunftsregionen, auch in der Altenpflege: Westbalkan, Ukraine, Philippinen, Vietnam. Die vor allem als Prüforganisation bekannte Dekra etwa ist in dem Bereich tätig: Mit dem Projekt «Expert Migration» werden ausländische Pfleger berufsbegleitend in der Heimat weitergebildet und in die deutsche Pflegebranche vermittelt. Arbeitgeber lassen sich die Vermittlung und die sprachliche und fachliche Vorbereitung über im Schnitt 18 Monate 8000 bis 9000 Euro pro Kopf kosten. Nach Dekra-Angaben sollen 1500 Fachkräfte 2018 auf diesem Weg ihre Arbeit hierzulande aufnehmen.
An die Charité kamen bisher nach und nach 70 Pfleger wie Samed Qoshja. Zurückgekehrt sei nur eine Pflegerin, die schwanger war, sagt Heepe. Insgesamt spricht sie von einer «positiven Erfahrung», die aber auch viel Herz und pragmatisches Handeln erfordere. Künftig wolle man jährlich um weitere 60 im Ausland rekrutierte Kräfte wachsen. Anwerben in einer Größenordnung von 200 Neuen auf einen Schlag hält die Pflegedirektorin nicht für erfolgversprechend.
Was Heepes Zahlen nicht ausdrücken, ist der Aufwand hinter jedem einzelnen Fall. Sie spricht von einem «Dschungel» an Administration: Über mehrere Ämter und viele Formulare führe der Weg zur Anerkennung der beruflichen Qualifikation - ein monatelanger Prozess. Das Visum und weiterführende Sprachkurse wollen organisiert sein. Und dann sind da noch die persönlichen Sorgen der Neuen, für die man ein offenes Ohr hat - schließlich sollen die Pfleger ja bleiben. Für manche albanische Krankenschwestern sei es zum Beispiel anfangs ein Problem gewesen, allein in einer Wohnung zu übernachten, erzählt Heepe. Sie hätten Angst gehabt und am Ende zu fünft in einem Bett geschlafen.
In der ersten Zeit laufen die neuen Pfleger nur bei Kollegen mit. «Sonst wäre das ein Schock gewesen», sagt Qoshja, der aus der nordalbanischen Stadt Shkodra stammt. Angesichts der vielen Pfleger in seiner Heimat war Unterbesetzung für ihn ein ungekannter Zustand. «Die Krankenhäuser in Albanien sind nicht nach wirtschaftlichen Aspekten ausgerichtet», sagt er. Sie seien sehr modern. Die Charité hingegen hat einen harten Sparkurs hinter sich, die Personaldecke ist dünn, die Schlagzahl hoch. Seit Jahren steigert sie die Zahl der Patienten und Operationen immer weiter, um schwarze Zahlen zu schreiben.
Die anfänglichen Schwierigkeiten haben auch mit unterschiedlichen Berufsbildern zu tun. Qoshja hat keine Ausbildung, sondern ein Studium mit Praxisphasen absolviert. Um Aufgaben wie die Körperpflege der Patienten müssten sich Pfleger in Albanien selten kümmern, das sei Sache der Angehörigen, sagt er. Dafür dürfe er dort ohne ärztliche Anordnung Medikamente geben. Wenn ein erfahrener Pfleger Dienst hat, würden auch manche Notfälle ohne Arzt geregelt. Undenkbar in Deutschland. Dafür muss an Kliniken hier jedes Detail dokumentiert werden. Sein ungläubiges Staunen über diesen Aufwand ist noch immer in seinem Gesicht abzulesen, wenn er davon spricht.
Auch neben der Arbeit lief nicht alles glatt: 13 Monate suchte Samed Qoshja eine größere Wohnung, aus dem Übergangs-Appartement ist er erst kürzlich ausgezogen. Ohne die Unterstützung von Kollegen hätte es nicht geklappt, sagt er. Für albanische Kolleginnen etwa, die Mann und Kinder nachholen wollen, sei der Wohnungsmarkt ein Riesenproblem. «Wir Ausländer bekommen oft nicht einmal eine Antwort vom Vermieter.»
Albanien verbänden leider bisher die wenigsten mit dem Land, aus dem Mutter Teresa stammt, so Pflegedirektorin Heepe. Zweifel und Fragen habe es anfangs auch in der Belegschaft gegeben: «Ängste sind da und es ist völlig ignorant, wenn man sagen würde, dass wir das hier in Berlin nicht kennen.» Mit Infos über Land und Leute sowie mit Fotos der künftigen Kollegen habe man vorgesorgt. Auch von den allermeisten Patienten kämen positive Rückmeldungen zur herzlichen Art der Neuen. Insgesamt aus 80 Nationen kommen die Charité-Mitarbeiter, von der Ärztin bis zur Putzkraft. Samed Qoshja fühlt sich trotz der stressigen Arbeit wohl, wie er sagt. «Wieso sollte ich wieder gehen?» (dpa)
«Wir sehen das als ersten Schritt, um zu einem existenzsichernden Mindestlohn zu kommen», betonte Hoffmann, der sich auf dem am Sonntag beginnenden DGB-Kongress in Berlin zur Wiederwahl als Vorsitzender stellt. Bisherige Berechnungen des Statistischen Bundesamtes gehen von einer Erhöhung von aktuell 8,84 Euro auf 9,19 Euro im kommenden Jahr aus.
Die Mindestvergütung solle sich laut Gesetz an den jeweils letzten Tariferhöhungen orientieren, aber auch an der allgemeinen Wirtschaftslage, erläuterte Hoffmann. Die sei extrem gut. «Also muss es auch einen ordentlichen Zuschlag geben», forderte der DGB-Chef.
Nach Berechnungen der Bundesregierung müsste der Mindestlohn deutlich höher als heute liegen, um im Alter eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu gewährleisten. Das geht aus der
Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Anfrage der Linksfraktion hervor, die der «Rheinischen Post» (Samstag) vorliegt. Demnach müsste der Mindestlohn 12,63 Euro betragen. Die Betrachtung vernachlässige aber die zusätzliche Altersvorsorge, mit der eine deutlich höhere Gesamtversorgung erzielt werden könne, so das Ressort weiter.
Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl, sagte: «Wir haben es heute schwarz auf weiß, dass die Höhe des Mindestlohns schon bei Einführung zu niedrig war.» Der gesetzliche Mindestlohn sei ein Armutslohn und mache Menschen zu Sozialfällen. (dpa)
Beide Seiten unterzeichneten den Schlichterspruch. Allerdings müssen die zuständigen Gremien dem Tarifvertrag noch zustimmen. Dazu bleibt ihnen Zeit bis zum 26. Mai.
Der Schlichter Wolfgang Clement sagte, man habe «in einer für die Bauwirtschaft sehr guten ökonomischen Phase verhandelt». Es sei ein Ergebnis erreicht worden, «dass sich überall sehen lassen kann». Die Angleichung der niedrigeren Ost-Löhne an das Westniveau «ist unterwegs und geht voran», fügte der frühere Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hinzu.
Für die IG BAU hob Verhandlungsführer Dietmar Schäfers hervor, man habe den «besten Tarifabschluss in Deutschland in diesem Jahr» erreicht. Der Kompromiss enthalte auch den Einstieg in ein bundesweites 13. Monatseinkommen.
Arbeitgeber-Verhandlungsführer Uwe Nostitz vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe erklärte: «Mit den 5,7 Prozent haben wir die absolute Obergrenze dessen erreicht, was unsere Unternehmen zu leisten vermögen. Auf der anderen Seite bietet die lange Laufzeit von 26 Monaten den Unternehmen Planungssicherheit, was unsere Zustimmung wiederum leichter gemacht hat.»
Dem Schlichterspruch zufolge sollen die Beschäftigten im Westen zum 1. Mai rückwirkend 5,7 Prozent mehr Geld bei einer Vertragslaufzeit bis zum 30. April 2020 bekommen. Die Ost-Löhne sollen rückwirkend zum 1. Mai um 6,6 Prozent und dann nochmals um 0,8 Prozent zum 1. Juni 2019 steigen. Mit einer Forderung von 6 Prozent für 12 Monate war die IG BAU in die Verhandlungen gegangen.
Für die Beschäftigten im Westen sind nun zusätzlich drei Einmalzahlungen von insgesamt 1100 Euro vereinbart. Die Ost-Bauarbeiter sollen eine Einmalzahlung von 250 Euro im November 2019 erhalten. Die Beträge entsprechen nach Angaben der Gewerkschaft einem Volumen von 2,75 Prozent im Westen und 0,63 Prozent im Osten.
Das 13. Monatseinkommen wird bislang in einigen Bundesländern zu 55 Prozent gezahlt, in anderen Ländern nur von der Bauindustrie und nicht vom Baugewerbe, in wiederum anderen gar nicht. Nun wird es überall eingeführt und in Stufen mehrmals bis zum Jahr 2022 angehoben. Für Unterbringung und Fahrtkosten beim Besuch von weit entfernten Berufsschulen bekommen Auszubildende einen monatlichen Pauschalbetrag von 60 Euro.
Das strittige Thema eines Wegegeldes für Fahrten zu den Baustellen wurde in der Schlichtung nicht geklärt. Es soll nach Übereinkunft beider Seiten später bei einer Überarbeitung des Bundesrahmentarifvertrages diskutiert werden. (dpa)
In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres hatten 44,3 Millionen Menschen ihren Arbeitsort in Deutschland, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden berichtete. Das waren 0,7 Prozent weniger als im Quartal zuvor, aber auch 1,4 Prozent mehr als im ersten Quartal 2017. Ein Rückgang der Beschäftigtenzahlen im Winter ist nach Angaben der Statistiker völlig normal. Bereinigt um diesen Saisoneffekt ergebe sich ein Plus zum Vorquartal von 0,4 Prozent.
Wie schon seit einigen Jahren ist auch zum Jahresbeginn 2018 der Anteil der Selbstständigen unter allen Erwerbstätigen weiter zurückgegangen. Neue Jobs entstehen vor allem für Arbeitnehmer, während immer mehr Selbstständige aufgeben. Ihre Zahl inklusive der mithelfenden Familienangehörigen ging in der Jahresfrist um 1,6 Prozent auf noch 4,238 Millionen zurück.
Neue Jobs entstanden sowohl bei Dienstleistern als auch in der Industrie und am Bau. Die höchsten Zuwächse gab es bei unternehmensnahen Dienstleistern (+2,2 Prozent). Auch das Baugewerbe legte mit 1,9 Prozent überdurchschnittlich zu. Weniger Jobs gab es hingegen in der Land-und Forstwirtschaft (-3,1 Prozent) sowie erneut bei den Versicherungs- und Finanzdienstleistern (-1,5 Prozent). (dpa)
Um herauszufinden, wie Persönlichkeit und Einkommen zusammenhängen, hatte eine Gruppe von Forschenden um den Psychologen Jaap Denissen von der Universität Tilburg in den Niederlanden die Daten von 8.458 erwerbstätigen Männern und Frauen, die im Rahmen der Langzeitstudie SOEP immer wieder befragt wurden, ausgewertet. Diese hatten unter anderem Angaben über ihren Beruf und ihr Einkommen gemacht und darüber hinaus in den Jahren 2005, 2009 und/oder 2013 auf einer Skala von 1 bis 7 eingeschätzt, für wie extrovertiert, verträglich, gewissenhaft, emotional stabil oder offen sie sich selbst hielten. Außerdem werteten die ForscherInnen die Angaben von als Berufsexperten ausgebildeten PsychologInnen aus, die die die Anforderungen an die Persönlichkeit in unterschiedlichen Berufen anhand der gleichen Skala eingeschätzt hatten.
Das Ergebnis der Studie zeigt: Anders als viele WissenschaftlerInnen bisher angenommen haben, sind offenbar nicht nur bestimmte Erfolg versprechende Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Extraversion entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von ArbeitnehmerInnen. Wie viel jemand verdient, hängt auch davon ab, wie gut die eigene Persönlichkeit zu den Anforderungen des Jobs passt. Lediglich in Bezug auf die emotionale Stabilität gilt dieser Zusammenhang nicht.
»Menschen, deren Persönlichkeit zu ihrem Job passt, können in einem Jahr bis zu einem Monatsgehalt mehr als ihre KollegInnen verdienen«, sagt Jaap Denissen, Erstautor der Studie. Vor allem Arbeitnehmende, die das den Anforderungen ihres Berufes entsprechende Maß an Offenheit mitbringen, profitieren finanziell. Ihr Gehalt ist im Jahr um bis zu 3.231 Euro höher als das der KollegInnen. »Das erforderliche Maß an Offenheit für Neues ist von Job zu Job sehr unterschiedlich«, sagt Jaap Denissen. »Wer es mitbringt, kann sehr hohe Leistungen erzielen und wird dann entsprechend gut bezahlt«, sagt Jaap Denissen.
Menschen hingegen, bei denen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale stärker oder weniger stark ausgeprägt sind als es ihre Arbeit erfordert, verdienen in der Regel weniger als ihre KollegInnen.
Eine Ausnahme bilden Erwerbstätige, die weniger gewissenhaft oder verträglich sind als ihr Job es erfordert: Sie verdienen im Durchschnitt mehr als ihre KollegInnen. »Der Grund dafür liegt möglicherweise darin, dass wenig gewissenhafte Menschen zwar oft weniger sorgfältig, dafür aber auch schneller arbeiten als andere«, vermutet Jaap Denissen. Für weniger verträgliche Menschen könnte es sich auszahlen, dass sie mehr Zeit in ihr berufliches Fortkommen investierten als in gute Beziehungen zu ihren KollegInnen. Das hätten auch schon frühere Studien belegt. (Sozio-oekonomisches Panel (SOEP))
An den rund 500 Veranstaltungen zum Mai-Feiertag nahmen nach DGB-Angaben bundesweit rund 340 000 Menschen teil - etwa 20 000 weniger als vor einem Jahr, als die Bundestagswahl bevorstand. Inhaltlich geprägt waren die Kundgebungen von der wachsenden Digitalisierung in vielen Betrieben und der schwindenden Bedeutung von Tarifverträgen.
Nach Einschätzung des DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann wird die Digitalisierung «die Arbeitswelt rasant verändern». Trotzdem ließen sich die Gewerkschaften davon aber nicht verunsichern. «Wir haben vor 100 Jahren schon den Industriekapitalismus zivilisiert. Heute nennen wir das soziale Marktwirtschaft», sagte der DGB-Chef. Es gehe jetzt darum, die Digitalisierung zu gestalten. Das gehe nur mit starken Belegschaften und Tarifverträgen, sagte Hoffmann bei der DGB-Hauptkundgebung in Nürnberg, an der nach DGB-Angaben rund 6500 teilnehmen. Nach Polizeischätzung waren es 3500.
Beim Thema Tarifverträge nahm Hoffmann die neue Bundesregierung in die Pflicht. Nur mit Tarifverträgen lasse sich verhindern, dass einzelne nicht-tarifgebundene Unternehmen «mit Dumpinglöhnen Schmutzkonkurrenz betreiben». Den Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag müssten Taten folgen.
IG Metall-Chef Jörg Hofmann bezeichnete auf der DGB-Kundgebung in Kassel ebenfalls Mitbestimmungsrechte und ein starkes Tarifsystem als «die wichtigsten Hebel dafür, dass keiner unter die Räder kommt und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird». Deshalb müsse auch die Politik für eine stärkere Tarifbindung sorgen. «Macht das Tarifsystem stark. Dann bleibt auch das Land stark», sagte Hofmann laut Mitteilung.
Verdi-Chef Frank Bsirske forderte zum «Tag der Arbeit» die Politik auf, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. «Wir brauchen mehr staatliche Investitionen in die Daseinsvorsorge, in bezahlbaren Wohnraum, in Bildung und Erziehung, in die Alterssicherung», sagte Bsirske in Braunschweig. «Investitionen in die gesellschaftliche Infrastruktur sind auch Gerechtigkeitspolitik», betonte er. (dpa)
Trotz der «Abflachung» sei die Arbeitskräftenachfrage aber weiterhin hoch, versicherte die Bundesagentur. Besonders stark zugelegt habe das Stellenangebot in der Informations- und Kommunikationsbranche mit einem Plus von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, gefolgt von der Industrie (plus 24 Prozent) sowie Verkehrs- und Logistikunternehmen (plus 19 Prozent). Viele freie Stellen gebe es weiterhin in Zeitarbeitsunternehmen.
Auch nach Beobachtungen des Münchner Ifo-Instituts zögern inzwischen manche Unternehmen mit der Einstellung von neuem Personal. Entsprechend sank das Ifo-Beschäftigungsbarometer für April zum dritten Mal in Folge. «Der Job-Boom der vergangenen Monate ist erst einmal vorbei», stellten die Konjunkturforscher fest.
Mit nachlassender Dynamik auf dem Arbeitsmarkt rechnen in den kommenden Monaten auch von dpa befragte Volkswirte deutscher Großbanken. Dennoch müsse man sich zumindest mittelfristig keine großen Sorgen um den deutschen Arbeitsmarkt machen, betonten die Experten. «Die Lage bleibt positiv. Ich rechne mit einem weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit und einem weiteren Aufbau der Beschäftigung», ist etwa DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein überzeugt. Daher halten die meisten Ökonomen an ihrer optimistischen Prognose fest: Für 2018 rechnen sie mit einem durchschnittlichen Rückgang der Erwerbslosenzahl um 100 000 bis 150 000 auf 2,3 bis 2,35 Millionen.
Im April dürften nach ihren Berechnungen 2,37 Millionen Menschen ohne Arbeit gewesen sein. Das wären rund 90 000 weniger als im März und rund 200 000 weniger als vor einem Jahr. Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit stellen vor allem Bauunternehmen wieder verstärkt Mitarbeiter ein. Auch in Gärtnereien, dem Landschaftsbau und der Gastronomie entstehen zum Frühjahrsanfang neue Jobs, die zum Winterbeginn wegen Auftragsflauten gestrichen worden waren.
Schwinden sehen die Ökonomen allerdings die anfänglichen Hoffnungen auf ein wirtschaftliches Boomjahr. Damit sei angesichts des drohenden Handelskriegs zwischen den USA und China sowie weiteren globalen Risiken wohl nicht mehr zu rechnen. Zwar werde die deutsche Wirtschaft auch 2018 wachsen, wohl aber nicht mehr in dem Maße, wie man bisher in einer gewissen Euphorie geglaubt habe, prognostizieren die Experten der Geldinstitute. Einige von ihnen haben deshalb ihre Wachstumsprognosen für 2018 nach unten korrigiert. Bis auf eine Ausnahme rechnen sie aber weiterhin mit einem zweiprozentigen Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP). (dpa)
«Ja, es ist ein großer, technologischer Wandel, der auch unsere Arbeitswelt verändern wird», sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. «Aber wir sollten vorrangig die Chancen sehen! Denn es wird Arbeit geben, ausreichend Arbeit geben, aber zum Teil wird sich die Arbeit sehr verändern.» Gegensteuern müsse man mit Weiterbildung, der Neuausrichtung von Berufsbildern und der Anpassung von Studiengängen. Merkel bekräftigte zugleich das Ziel, bis 2025 Vollbeschäftigung zu erreichen.
Davon gab sich auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) überzeugt: «Wir werden in Deutschland Vollbeschäftigung erreichen - nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung», sagte er der «Bild am Sonntag». «Bei der Energiewende gab es zuerst auch große Sorgen, sie könnte Arbeitsplätze zerstören. Tatsächlich hat sie aber viele neue Arbeitsplätze geschaffen.»
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte eine vorbeugende Arbeitsmarktpolitik, die massiv auf Weiterbildung setze. «Nie war Weiterbildung so wichtig wie heute», betonte Heil im «Tagesspiegel» (Sonntag). Auch er erwartet «gewaltige Umbrüche» in der Arbeitswelt. Durch die Digitalisierung würden auch bestimmte Tätigkeiten wegfallen, sagte Heil. Es würden aber auch neue Stellen entstehen.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel forderte wegen der Digitalisierung ein Umsteuern in der Steuerpolitik. «Fest steht, dass sich das Verhältnis der Besteuerung von Arbeit und Kapital zu letzterem hin verschieben muss», sagte Schäfer-Gümbel der «Frankfurter Rundschau» (Samstag). Er schlug eine Art Maschinensteuer vor, damit die Arbeitnehmer von künftigen Produktivitätsgewinnen profitieren.
Die DGB-Kundgebungen am Dienstag stehen unter dem Motto «Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit». Die Hauptkundgebung mit DGB-Chef Hoffmann findet in diesem Jahr in Nürnberg statt. Die Veranstalter erwarten in der einstigen Industriemetropole rund 6000 Besucher. Insgesamt finden nach DGB-Angaben bundesweit knapp 500 Veranstaltungen statt. Im Vorjahr hatten an den Kundgebungen rund 360 000 Menschen teilgenommen.
Der «Tag der Arbeit» am 1. Mai wird seit rund 130 Jahren von der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in aller Welt begangen. Im Mai 1886 gab es am Rand einer Streikkundgebung in Chicago Krawalle mit Toten. 1889 rief ein Internationaler Arbeiterkongress in Paris dazu auf, jährlich einen «Kampftag der Arbeiterklasse» zu feiern. Am 1. Mai 1890 gab es erstmals in Deutschland Massendemonstrationen. (dpa)
Beide Seiten hatten sich in drei Verhandlungsrunden nicht auf eine Einkommenserhöhung einigen können. Die Gewerkschaft hatte unter anderem sechs Prozent mehr Lohn bei zwölf Monaten Vertragslaufzeit gefordert. Die Arbeitgeber hatten ein Gesamtvolumen von sechs Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten in Aussicht gestellt. Strittig blieb auch das Tempo bei der Angleichung der Ost- an die Westlöhne.
«Obwohl die Baubranche boomt wie schon lange nicht mehr und die Betriebe kaum mehr wissen, wie sie der Auftragsflut Herr werden sollen, sind die Arbeitgeber nicht bereit, die Beschäftigten an der Entwicklung fair zu beteiligen», sagte der IG-BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger laut einer Mitteilung.
Nach der Schlichtungsordnung im Baugewerbe haben die Tarifparteien mit Beginn der Schlichtung 14 Tage Zeit für ein Ergebnis. Finden sie bis dahin keinen Kompromiss, endet die Friedenspflicht und Streiks sind möglich. (dpa)
«Seien Sie nicht überrascht, das wird noch etwas Lärm machen», meinte Tavares. «Seien Sie nicht erstaunt. Das ist ein Teil dessen, was man machen muss, um dieses Unternehmen wieder auf die Schienen zu bringen.» Er wies darauf hin, dass es in Großbritannien, Polen, Spanien, Ungarn und Österreich bereits Vereinbarungen mit den Sozialpartnern gebe.
Die Sanierungsgespräche für die deutschen Opel-Werke waren bisher ohne Ergebnis geblieben. Die IG Metall hatte PSA Erpressung vorgeworfen und einen detaillierten Unternehmensplan gefordert. Der Konzern, zu dem auch die Marken Peugeot, Citroën und DS gehören, hatte Opel im vergangenen Sommer übernommen.
Vor dem Thüringer Opel-Standort Eisenach protestierten Beschäftigte, Metaller sowie Landespolitiker gegen drohenden Stellenabbau. Nach Angaben der IG Metall ist bisher nur die Produktion eines großen Geländewagens mit einer Jahresstückzahl von unter 100 000 Fahrzeugen für Eisenach im Gespräch. Damit hätten nur knapp 1000 der derzeit 1800 Beschäftigten eine Perspektive, sagte ein Gewerkschaftssprecher. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rief Unternehmens- und Arbeitnehmervertreter zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. «Die Differenzen müssen dort ausgeräumt werden», sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur.
Tavares sagte, die Fixkosten bei Opel seien bereits um 17 Prozent gesunken. Er zog vor den Anteilseignern eine insgesamt positive Bilanz der Übernahme: «Wir sind überhaupt nicht enttäuscht.» Er betonte die Bedeutung des Opel-Managements für die Umsetzung des Sanierungsplans.
PSA setzte im ersten Quartal dieses Jahres insgesamt 1,05 Millionen Fahrzeuge ab. Im Gesamtjahr könnte erstmals die Marke von vier Millionen Fahrzeugen übersprungen werden, kündigte Tavares an.
Der Konzernumsatz stieg im ersten Vierteljahr inklusive Opel kräftig um gut 42 Prozent auf rund 18,2 Milliarden Euro. Auf die Opel-Sparte - dazu gehört auch die britische Schwestermarke Vauxhall - entfiel dabei ein Umsatzanteil von 4,84 Milliarden Euro.
Die Hauptversammlung stimmte unter anderem der Entlohnung von Tavares für das vergangene Jahr zu. Dazu gehört auch eine Sonderzahlung von einer Million Euro wegen der Opel-Übernahme. Laut eines Dokuments kommt Tavares für 2017 auf ein Jahresgehalt - einschließlich Aktien - von 6,7 Millionen Euro, 2 Millionen mehr als 2016. An PSA sind unter anderen die Familie Peugeot, der chinesische Hersteller Dongfeng und der französische Staat beteiligt.
Unter PSA-Regie verkaufte Opel/Vauxhall in den ersten drei Monaten exakt 274 679 Autos. Das waren rund 40 000 Stück weniger als der Vorbesitzer General Motors vor einem Jahr berichtet hatte (315 000 Stück). Zudem stehen 219 000 Fahrzeuge der im August zugekauften Marken unverkauft auf den Höfen des Herstellers oder seiner Händler. Nach wie vor verkauft Opel/Vauxhall seine Autos nahezu ausschließlich in Europa - dies ist die einzige Region, für die PSA in diesem Jahr kein Wachstum erwartet. (dpa)