Zuvor hatte der RWE-Aufsichtsrat der Vereinbarung zugestimmt, die auf eine Zerschlagung der RWE-Tochter Innogy hinausläuft. Der Eon-Aufsichtsrat hatte bereits am Sonntag grünes Licht gegeben. RWE soll durch den Deal mit Eon die komplette Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von Innogy und Eon übernehmen. Bisher betreibt RWE nur konventionelle Kraftwerke. Die Chefs von Eon und RWE, Johannes Teyssen und Rolf Martin Schmitz, wollen am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Essen Einzelheiten der Vereinbarung erläutern.
Für den Umbau mit weitreichenden Folgen für das gesamte deutsche Energiesystem haben Eon und RWE die Rückendeckung aus Politik und Gewerkschaften. Verbrauchschützer warnten die Konzerne aber vor möglichen Nachteilen für die Kunden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die bei RWE einflussreichen NRW-Kommunen sehen die geplante Neuordnung bei den Energieriesen im Prinzip positiv. Der Chef des Verbraucherzentralen-Verbands, Klaus Müller, betonte jedoch, dass die Konsequenzen des Deals etwa mit Blick auf die Strompreise genau geprüft werden sollten.
Verdi und IG BCE sehen in zwei starken deutschen Energiekonzernen «Perspektiven für Wachstum und Arbeitsplätze». Die Gewerkschaften erwarten, dass es bei der Neuordnung keine betriebsbedingten Kündigungen gibt und bestehende Tarifverträge erhalten bleiben.
Die Vereinbarung zwischen den Konzernen sieht vor, dass Eon zunächst den RWE-Anteil von rund 77 Prozent an Innogy komplett übernimmt und im Gegenzug RWE mit 16,7 Prozent am eigenen Unternehmen beteiligt. Anschließend sollen die Unternehmensaktivitäten so getauscht werden, dass Eon das komplette Netz- und Vertriebsgeschäft von Innogy erhält. Die erneuerbaren Energien sollen unter dem Dach von RWE vereint werden. Zudem sieht die Vereinbarung eine Zahlung von RWE an Eon in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vor. Den Innogy-Minderheitsaktionären macht Eon ein Übernahmeangebot im Gesamtwert von 40 Euro je Aktie.
Merkel sagte in Berlin, sie habe Vertrauen in die Konzerne, dass diese die beste Variante wählten, wie sie die Energiewende schafften. Sie verwies auf Äußerungen von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), die erklärt hatte: «Es ist gut, wenn es in Deutschland wettbewerbsfähige und international orientierte Energieversorger gibt.»
Verbraucherschützer hoffen auf sinkende Preise. Jeder Wettbewerber, der vom Strommarkt verschwinde, bedeute zwar eine traurige Nachricht für den Kunden, sagte Müller dem «Handelsblatt». «Innogy ist aber ein eher teurer Grundversorger. Darum ist zu hoffen, dass Eon die Strompreise senken wird.» Später ergänzte er: «Die Strompreise für Verbraucher dürfen nicht noch weiter ansteigen. Zudem darf sich die Teilhabe von privaten Verbrauchern an der Energiewende nicht verschlechtern.»
Die Kommunen - mit gut 20 Prozent der Anteile wichtige Aktionäre bei RWE - stellten sich hinter die geplante Aufteilung. Sie sei «sowohl strategisch als auch finanzwirtschaftlich positiv zu bewerten», teilte ihr Verband mit. Es sei gut, dass mit Eon ein deutsches Unternehmen neuer Partner der RWE und indirekt der Kommunen werde.
Das Bundeskartellamt wollte das Geschäft und mögliche rechtliche Hürden nicht kommentieren. Vermutlich prüft ohnehin die EU-Kommission den Fall – Brüssel kommt dann zum Zuge, wenn es um sehr große Firmen geht, deren Zusammenschluss grenzüberschreitende Auswirkungen hat. Die Aktien der Unternehmen konnten am Montag teils stark zulegen.
Der Innogy-Vorstand wusste nach Angaben seines Vorsitzenden Uwe Tigges seit Samstagabend von den Zerschlagungsplänen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Führung informiert worden. Wenige Stunden später machten Eon und RWE am frühen Sonntagmorgen dann über eine Börsenmitteilung ihre Grundsatzvereinbarung öffentlich.
Innogy stellte am Montag den Geschäftsbericht für das Jahr 2017 vor - möglicherweise nun den letzten. Tigges, der Innogy seit dem Abgang von Gründungschef Peter Terium im vergangenen Dezember kommissarisch führt, sagte dabei, die RWE-Tochter sei und bleibe «ein kerngesundes Unternehmen». Innogy habe eine starke Wettbewerbsposition, sei finanziell solide aufgestellt und fahre verlässliche Gewinne ein. (dpa)
Die neuen Mindestlöhne waren von den Tarifparteien Ende 2017 ausgehandelt worden und gelten seit 1. Januar. Die gebilligten Verordnungen erklärten die Lohnuntergrenzen nun für allgemeinverbindlich - seit dem 1. März gelten sie also für alle Beschäftigten, auch für jene in nicht tarifgebundenen Unternehmen.
Von der leichten Anhebung profitieren demnach rund fünf Millionen Menschen, die in der Baubranche arbeiten, eine Million Gebäudereiniger und 64 000 Beschäftigte im Dachdecker- Handwerk.
Laut der Verordnung bekommen Beschäftigte in Westdeutschland, die Gebäude reinigen, in der untersten Lohngruppe I 10,30 Euro pro Stunde statt bisher 10 Euro. Im Osten Deutschlands steigt der Satz von 9,05 auf 9,55 Euro. Ab 1. Dezember 2020 steigt das Mindestentgelt in Ost- und Westdeutschland für die unterste Lohngruppe einheitlich auf 10,80 Euro pro Stunde.
Gelernte Dachdecker bekommen statt 12,25 Euro nun mindestens 12,90 Euro pro Stunde.
Im Baugewerbe erhalten Ungelernte nach Lohngruppe 1 einen Stundenlohn von mindestens 11,75 Euro bundesweit. Facharbeiter (Lohngruppe 2) erhalten in Ostdeutschland Mindestlohn wie Lohngruppe 1. In Westdeutschland liegt er zunächst bei 14,95 Euro und steigt ab 1. März 2019 auf 15,20 Euro.
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn beträgt derzeit 8,84 Euro. Darüber hinaus können von den Tarifpartnern branchenbezogene Mindestlöhne vereinbart werden. Die Bundesregierung kann sie per Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklären. (dpa)
Die Gewerkschaften DJV und dju in Verdi lehnen das Angebot als «Provokation» ab und fordern 4,5 Prozent mehr Geld. Berufseinsteiger sollen mindestens 200 Euro mehr bekommen. Der neue Tarifvertrag sollte eine Laufzeit von zwölf Monaten haben. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern legten nach Gewerkschaftsangaben Zeitungsredaktionen als Zeichen des Protests die Arbeit am Freitag nieder.
Der Verlegerverband erklärte, die Forderungen gingen über die Möglichkeiten der Unternehmen hinaus. Als positives Signal wertete der BDZV jedoch, dass die Gewerkschaften sich offen für Strukturgespräche zeigten.
Die zweite Runde der Tarifgespräche war am Donnerstag ohne Ergebnis geblieben. Verdi fordert 5,5 Prozent mehr Geld für 55 000 Tarifbeschäftigte. Die dritte Runde der Verhandlungen startet am 21. März in Berlin.
Ein Telekom-Sprecher sagte, die Auswirkungen seien im erwarteten Rahmen geblieben. Die Warnstreiks sollen am Montag fortgesetzt werden. Verdi hat insgesamt rund 5000 Beschäftigte aufgerufen, sich an Aktionen und Protesten zu beteiligen.
Ein neuer Plan sehe vom Jahr 2020 an die Fertigung von nur noch sechs Passagierjets vom Typ A380 und acht Militärtransportern A400M pro Jahr vor, teilte Airbus im französischen Toulouse nach einem Treffen mit dem Betriebsrat mit. In Deutschland gebe es «besondere Herausforderungen» für die Werke in Bremen und Augsburg, hieß es ergänzend. Wie viele Jobs am Standort Deutschland betroffen sein könnten, blieb offen.
Ein unbestätigter Medienbericht des französischen Magazins «Challenges», wonach 3600 Stellen bei Airbus von Streichungen oder Verlegungen betroffen sein sollten, hatte am bereits zurückliegenden Wochenende vor allem in Deutschland für Unruhe gesorgt. Die Bundesregierung hatte «verantwortungsvolle» Entscheidungen angemahnt.
Außer in Deutschland liegen die betroffenen Standorte in Frankreich, Großbritannien und Spanien, teilte Airbus mit. Es solle nun mit den Arbeitnehmervertretern gesprochen werden. «Wie in der Vergangenheit bereits mehrfach erfolgreich demonstriert, geht Airbus mit allen Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen auf seine Mitarbeiter verantwortungsvoll um», schrieb der Hersteller. Die endgültigen Zahlen hingen von der «Veränderungsoffenheit» der Mitarbeiter ab, hieß es ergänzend. Der Zeithorizont sei das Jahr 2020, es gebe also noch zeitlichen Spielraum.
Ein französischer Gewerkschaftsvertreter sprach laut der Nachrichtenagentur AFP davon, dass 3720 Stellen in Europa abgebaut werden sollen, davon 470 in Frankreich und etwa 1900 in Deutschland. Es seien keine Entlassungen geplant, sagte Jean-Marc Escourrou von der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) nach dem Treffen. Von einem Stellenabbau war in der Airbus-Mitteilung nicht die Rede.
IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner erklärte, die Ankündigung von Airbus verunsichere die Belegschaft: «Die Auftragslage des Unternehmens ist gut genug, dass es für die betroffenen Beschäftigten alternative Arbeitsplatzangebote geben muss.» Die IG Metall sei offen für Gespräche.
Airbus hatte bereits im Sommer 2016 bekanntgegeben, mangels ausreichender Bestellungen von 2018 an jährlich nur noch zwölf Maschinen des weltgrößtern Passagierjets A380 auszuliefern. Von 2019 an sollten es dann nur noch acht sein. Laut Mitteilung werden im laufenden Jahr 15 Maschinen des Typs A400M gebaut, 2019 dann 11.
Bei seinem doppelstöckigen Riesenflieger A380 muss Airbus einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Virgin Atlantic, die vom britischen Milliardär Richard Branson gegründete Fluggesellschaft, hat kein Interesse mehr am Superjumbo und strich die vor Jahren vereinbarte Kaufoption für sechs Flieger. Einziger Großkunde des Modells ist Emirates.
Andere Flugzeuge bei Airbus laufen hingegen gut. Die Maschinen der A320-Baureihe sind Kassenschlager, so dass dort die Produktion deutlich hochgefahren wird. Ähnliches gilt für die zweistrahligen A350-Jets, deren Fertigungsrate hochläuft.
Airbus beschäftigt weltweit etwa 129 000 Mitarbeiter. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 67 Milliarden Euro.
Insgesamt gab es im Januar mehr als 868 000 Langzeitarbeitslose - also Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, darunter 487 000 ohne abgeschlossene Ausbildung. Ihre Zahl hatte über Jahre bei rund einer Million verharrt, bevor sie vor gut eineinhalb Jahren zu sinken begann. BA-Chef Detlef Scheele plant, die Zahl bis Ende des Jahres auf unter 800 000 zu drücken.
Union und SPD wollen in einer neuen Koalition das Problem vorrangig angehen, wie Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am gestrigen Mittwoch (7. März) ankündigte. «Wir wollen Vollbeschäftigung in unserem Land», sagte er. «Langzeitarbeitslose sind eine besondere Herausforderung.»
Geplant sind dabei auch Lohnkostenzuschüsse für einen sozialen Arbeitsmarkt. Das heißt: Der Staat bezahlt einen Teil des Lohns, damit die Betroffenen nicht länger arbeitslos sind. Bis zu 150 000 Menschen sollen davon profitieren, vier Milliarden Euro zusätzlich sind dafür vorgesehen.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisiert den Plan eines sozialen Arbeitsmarkts. «Wir halten das für problematisch und riskant», sagte IW-Beschäftigungsexperte Holger Schäfer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es sei zweifelhaft, ob staatlich bezahlte Jobs wirksam zu einer Eingliederung auf dem normalen Arbeitsmarkt führten.
Die Linke-Arbeitsmarktexpertin Sabine Zimmermann hingegen forderte Union und SPD zu einer weitergehenden «Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik» auf. «Wir fordern die Einrichtung eines öffentlichen geförderten Beschäftigungssektors mit 200 000 voll sozialversicherungspflichtigen existenzsichernden Arbeitsplätzen», sagte Zimmermann der dpa. Trotz Beschäftigungszunahme habe sich für viele Langzeiterwerbslose keine Verbesserung eingestellt. Hunderttausende würden aufs Abstellgleis geschoben. «Das ist ein echter Skandal.»
IW-Experte Schäfer hingegen meinte, Betroffene, die einen staatlich bezahlten Job bekämen, reduzierten ihre eigenen Bemühungen auf dem normalen Arbeitsmarkt. «Stattdessen erscheint es angebracht, die Bemühungen um die Aktivierung zu intensivieren», heißt es in einem IW-Bericht vom Februar. Nötig seien ein ausreichendes Budget für die Jobcenter und mehr Kontakte zwischen Arbeitslosen und Fallmanagern.
«Niemand ist auf Dauer völlig chancenlos», sagte Schäfer. Betroffen sind laut dem Institut oft Menschen geringer Qualifikation, Ältere und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Für sie staatliche Jobs zu schaffen, komme aber eine Kapitulation gleich. Besser sei es, Langzeitarbeitslose weiterzubilden, sich um sie zu kümmern, auch individuelle Probleme wie etwa Verschuldung mit ihnen zu lösen.
Laut BA-Statistik beträgt die durchschnittliche bisherige Dauer der Erwerbslosigkeit allgemein im vergangenen Jahr 490 Tage. 2008 waren es noch 525, im Jahr mit dem niedrigsten Wert seither 451 Tage 2010. (dpa)
Mindestlöhne gibt es dem Institut zufolge in 22 der 28 EU-Staaten. In 19 davon seien sie zum 1. Januar 2018 oder im Laufe des vergangenen Jahres erhöht worden - im Mittel nominal (ohne Berücksichtigung der Inflation) um 4,4 Prozent. In Deutschland gilt der aktuelle Satz seit dem 1. Januar 2017, Mitte des Jahres berät die Mindestlohnkommission über eine Erhöhung.
Weil in Deutschland die Lohnuntergrenze nur alle zwei Jahre angepasst werde, hätten zum Mindestlohn beschäftigte Arbeitnehmer 2017 einen leichten Reallohnverlust hinnehmen müssen, schreiben die WSI-Forscher. Sie profitierten aber etwas von dem im westeuropäischen Vergleich niedrigeren Preisniveau. Trotzdem bleibe ihre Kaufkraft hinter derjenigen in den Benelux-Staaten und in Frankreich zurück.
Der deutsche Mindestlohn sei auch gemessen «am allgemeinen Lohnniveau im Land moderat». Deshalb sollte überlegt werden, «ob die derzeit außerordentlich günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen nicht dafür genutzt werden können, um das niedrige deutsche Mindestlohnniveau über die normale Anpassung hinaus auch strukturell zu erhöhen.» (dpa)
Am 16. und 17. April in Leipzig solle «ein letzter Versuch für eine Einigung» unternommen werden. Die Arbeitgeber verwiesen darauf, dass der «umfangreiche Forderungskatalog» der IG BAU die Verhandlungen überaus schwierig mache.
Die Gewerkschaft fordert 6 Prozent mehr Gehalt für 12 Monate, ein volles 13. Monatsgehalt und die Bezahlung der Wegezeit zu den Baustellen. Die Arbeitgeber bezifferten den Verteilungsspielraum auf 6 Prozent bei einer Laufzeit von 24 Monaten.
Die IG BAU sprach von einem »vergifteten Angebot» der Arbeitgeber. Dieses habe für die Beschäftigten im Westen maximal eine lineare Lohnerhöhung von 1,65 Prozent für zwölf Monate vorgesehen, für die Beschäftigten im Osten sollten noch 1,35 Prozent Ost-West-Angleichung hinzukommen. Um einen Arbeitskampf zu vermeiden, habe die Gewerkschaft einem weiteren Verhandlungstermin zugestimmt, sagte Schäfers. (dpa)
Das Ergebnis dieser Befragung könnte Anfang April vorliegen - danach könnte der Vorschlag der Post-Chefetage in ein verbindliches Regelwerk umgesetzt werden.
Die Offerte sei ein «tragfähiges Angebot am Rande der Belastbarkeit», sagte Post-Personalvorstand Thomas Ogilvie nach den langwierigen Verhandlungen, die im Januar begonnen hatten und über vier Runden geführt worden waren. Zum Vergleich: Der alte Vertrag von 2015 hatte ein Plus von zunächst 2 und später 1,7 Prozent vorgesehen. Der neue Tarifvertrag soll eine Laufzeit von 28 Monaten haben und bis zum Mai 2020 laufen.
Ursprünglich hatte Verdi ein Plus von sechs Prozent für einen nur 12 Monate geltenden Tarifvertrag gefordert. Daher klang in der Reaktion Enttäuschung mit. Es sei «ein schwieriges Angebot», sagte Verdi-Vize Andrea Kocsis. Es bleibe hinter den Erwartungen zurück.
Zugleich zeigte sich die Gewerkschafterin aber auch durchaus erfreut über Verbesserungen für die Belegschaft. So soll ein sogenanntes leistungsbezogenes variables Entgelt wegfallen - dieses Bonussystem hatten viele Beschäftigte nach Darstellung von Verdi als ungerecht empfunden, was zu Frust geführt habe. Stattdessen soll der bisher für 116 000 Beschäftigte bereitstehende Bonustopf in ein fixes Lohnplus umgewandelt werden, also ohne Leistungsbezug. Der bisherige Jahresbonus lag bei den Beschäftigten laut Verdi im Schnitt bei 1666 Euro. Umgerechnet auf 13 Gehälter bekäme ein Beschäftigter nun pro Monat etwa 128 Euro mehr Geld oben drauf.
Auch in einem anderen Punkt hat sich Verdi durchgesetzt: Die Mitarbeiter sollen künftig ein Anrecht auf mehr Freizeit bekommen. Sie können auf das vorgesehene Lohn- und Gehaltsplus von 3 beziehungsweise 2,1 Prozent verzichten und stattdessen «Entlastungszeit» bekommen, und zwar zunächst acht und später sechs freie Tage. Bisher haben Post-Tarifbeschäftigte zwischen 27 und 30 Urlaubstage im Jahr.
Der Konzern Deutsche Post DHL ist in einer guten wirtschaftlichen Verfassung, was vor allem am anziehenden Auslandsgeschäft liegt. Zudem profitiert die Firma vom boomenden Online-Handel. In der kommenden Woche will Konzernchef Frank Appel die Jahresbilanz 2017 vorstellen, das Zahlenwerk dürfte insgesamt positiv ausfallen.
Das spiegelt sich in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit wider: Trotz des boomenden Arbeitsmarkts verharrte die Zahl der Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, über viele Jahre bei rund einer Million. Erst seit gut eineinhalb Jahren sinkt ihre Zahl. Nach Einschätzung der Nürnberger Bundesbehörde liegt sie aber auch mit zuletzt knapp 857 000 immer noch zu hoch. Bis Ende des Jahres will sie Bundesagentur-Chef Detlef Scheele deshalb auf unter 800 000 drücken, kündigte er kürzlich an.
Zwar ist das Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Arbeitsmarkt kein neues Problem. Angesichts des wachsenden Fachkräftemangels bringt das Ungleichgewicht die Bundesagentur aber immer stärker unter Druck. Denn seit Jahren wird es für Unternehmen schwieriger, frei gewordene oder neue geschaffene Stellen mit qualifizierten Kräften zu besetzen. Hatte es etwa im Jahr 2010 im Schnitt noch 57 Tage gedauert, bis eine Stelle besetzt war, so sind es im Vorjahr bereits 102 Tage gewesen, zeigt eine aktuelle Analyse der Bundesagentur vom Dezember 2017.
In einigen technischen Berufen, aber auch im Gesundheitswesen, dauert es inzwischen teils bis zu einem halben Jahr, bis Betriebe einen geeigneten Bewerber gefunden haben. Negativer Spitzenreiter ist nach der jüngsten BA-Engpassanalyse der Beruf des Altenpflegers mit einer durchschnittlichen Vakanzzeit von 171 Tagen. 165 Tage dauerte es zuletzt, bis ein Klempnereibetrieb einen geeigneten Sanitär-, Heizung- und Klimatechniker gefunden hat.
Für die geradezu paradoxe Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt steht auch die sich öffnende Schere zwischen Erwerbstätigen- und Arbeitslosenzahl. Denn während 2017 im Schnitt knapp 640 000 neue Arbeitsplätze entstanden, ging die Arbeitslosigkeit lediglich um knapp 160 000 zurück. Ein großer Teil der neu entstandenen Stellen wurde nach BA-Erkenntnissen von Frauen und Männern besetzt, die nach längerer Elternzeit in ihren Beruf zurückkehren, von EU-Arbeitsmigranten und zu einem kleinen Teil von Asylbewerbern und Älteren, die inzwischen später in Rente gehen.
Dass von Jobaufschwüngen nicht mehr Langzeitarbeitslose profitieren, treibt seit Jahren Arbeitsmarktforscher um. Dass Problem sei dabei nicht unbedingt, dass Langzeitarbeitslose gar keinen Job finden, sondern, dass sie ihn oft meist schon nach einiger Zeit wieder verlieren, stellte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unlängst in einer Studie fest. Die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit spricht dabei von «chronisch Arbeitslosen» im Hartz-IV-Bezug, deren Zahl sie mit 1,35 Million beziffert.
Die populistische Einschätzung, dass bei so vielen freien Stellen jeder einen Job findet, der wirklich arbeiten wolle, halten Arbeitsmarktforscher für eine wirklichkeitsfremde Stammtischparole. Denn selbst hochmotivierte Jobsucher stünden in der Regel nach längerer Arbeitslosigkeit bei ihrem Weg zurück in die Arbeitswelt oft vor hohen Hürden. Schon länger arbeitslos gewesen zu sein, so zeigen IAB-Befragungen von Firmen- und Personalchefs, gehört dabei mit zu den größten Hindernissen.
Für andere Langzeitarbeitslose erweisen sich oft ihr Alter von über 50 Jahren, gesundheitliche Einschränkungen, vor aber allem fehlende Schul- und Ausbildungsabschlüsse als unüberwindbare Vermittlungsprobleme. Ausländischen Jobsucher fehlt es oft an Deutschkenntnissen, Müttern am passenden Betreuungsplatz für ihre Kinder. Und auch die Pflege von Angehörigen macht manchen die Jobsuche schwerer als anderen. Kommen gleich mehrere dieser Hemmnisse zusammen, tendiert die Chance der Betroffenen, jemals eine Arbeit zu finden, gegen Null, lautet der IAB-Befund.
Dass die große der Zahl der Arbeitslosen nicht nur ein wichtiges Arbeitskräftepotenzial darstellt, sondern auch eine sozialpolitische Herausforderung, ist längst auch an der Bundesagentur-Spitze Thema. BA-Vorstandschef Detlef Scheele trommelt inzwischen für eine individuelle Betreuung von Langzeitarbeitslosen - samt dem Blick auf das familiäre Umfeld der Betroffenen. Jobsucher bräuchten auch nach der Job-Vermittlung noch Betreuung. Pilotmodelle in einigen Regionen hätten sich als erfolgversprechend erwiesen. Das gehe aber nur mit viel Geld aus der Bundeskasse, machte Scheele wiederholt deutlich. Dabei setzt er auch auf die große Koalition. (Klaus Tscharnke, dpa)